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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus
Autoren: Julie Leuze
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schließlich entgegen und begrüßte ihn in seiner Landessprache.
    »Das nenne ich einen viel versprechenden Anfang in unserer schönen Kolonie, Miss Röslin«, lächelte der Mann, der sich als Mr. Flinner vorstellte.
    Emma lächelte sittsam zurück, musterte ihn dabei aber verstohlen. Mr. Flinner war gedrungen und ältlich, doch er war sehr elegant gekleidet: Ein leichter, blütenweißer Rock spannte sich über seinem Bauch, auch die Hosen waren aus dünnem, weißem Stoff, und hätte Mr. Flinner nicht diesen beeindruckenden Helm auf dem Kopf gehabt, so hätte man in ihm niemals eine Amtsperson vermutet. Wie anders alles hier war als in Württemberg!
    »Darf ich erfahren, weshalb Sie mich rufen ließen?«, fragte sie höflich.
    »Aber natürlich. Ich wollte Sie ersuchen, rasch zu packen, sofern Sie das nicht schon getan haben, und mir dann auf das Lotsenboot zu folgen.«
    Eisiger Schrecken durchzuckte Emma, und ihr war, als hole das Geheimnis ihrer Vergangenheit sie mit einem Paukenschlag ein. Wusste man auch hier schon von ihrem Verbrechen, woraus auch immer es bestand? Wollte man sie verhören?
    Doch dann atmete sie tief durch und ermahnte sich, nicht albern zu sein. Bestimmt war alles ganz harmlos und leicht zu erklären. Vielleicht hatte Herr Crusius sich mit Mr. Flinner in Verbindung gesetzt und ihn gebeten, Emma möglichst rasch vom Schiff zu bringen. Bis jetzt hatte Herr Crusius doch auch sehr gut für sie gesorgt. Und hatte er ihr nicht in Stuttgart angekündigt, dass sie in der Moreton Bay abgeholt würde? Ihr Ziel war das Städtchen Brisbane, das fünfundzwanzig englische Meilen von der Bay entfernt am Brisbane River lag. Dorthin würde sie ein Dampfschiff bringen.
    Jetzt ärgerte Emma sich über sich selbst, dass sie nicht nachgefragt hatte, wer sie wo genau in Empfang nehmen würde. Doch sie erinnerte sich, dass die unbekannten Namen von Orten, Flüssen und Buchten sie verwirrt hatten. Ich werde schon irgendwie ankommen, hatte sie damals gedacht, Hauptsache, ich bin weg von daheim.
    Tja, das hatte sie nun davon.
    Um sich keine Blöße zu geben und sich weder ihre Unwissenheit noch ihre Angst anmerken zu lassen, beschied sie ihm mit gesenktem Blick, dass sie sich beeilen würde, und hastete zurück zu ihrer Kajüte, um fertig zu packen.
    Nun ging alles sehr schnell.
    Während sie noch das letzte Buch verstaute, trugen die Matrosen bereits ihr Gepäck hinaus und verluden es vom Segelschiff aufs Boot des Lotsen.
    Frau Karnshagen rief ihr allerlei Warnungen bezüglich giftiger Tiere und mörderischer Eingeborener nach. Emma blickte sich einige Male suchend nach Wilhelmine um, doch natürlich ließ die Kleine sich angesichts der Respekt einflößenden englischen Herren nirgends blicken. Mr. Flinner mahnte währenddessen fortgesetzt zur Eile. Er verwies auf das Dampfschiff in Richtung Brisbane, dessen Abfahrt unmittelbar bevorstehe, woraus Emma schloss, dass sie gar nicht erst an Land gehen würde. Offensichtlich wurde sie an Bord des Dampfschiffes bereits erwartet.
    Aber von wem?
    Wer auch immer es war: Er war offenbar ziemlich ungeduldig. Nachdem die Helene Wochen später als erwartet eingetroffen war, schien es ihm nun nicht schnell genug gehen zu können, so dass er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, damit Emma in Windeseile das Schiff wechseln konnte.
    Viel Zeit, über all das nachzusinnen, blieb Emma allerdings nicht. Ehe sie sich versah, hatte sie die Helene verlassen und stand schwankend neben den Engländern auf dem Lotsenboot. In rascher Fahrt durchpflügten sie die Bay, immer näher kamen sie dem Festland.
    Emma drehte sich um und blickte zurück. Der Klipper war bereits so weit entfernt, dass sie die Menschen an Bord nicht mehr erkennen konnte, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ohne Abschied gegangen war. Vor allem um Wilhelmine tat es ihr leid, ihr hätte sie gerne alles Gute gewünscht.
    Noch eine endgültige Trennung ohne Lebewohl , dachte Emma bitter.
    Unwillkürlich kam ihr Ludwig in den Sinn.

3
    B risbane R iver
    D a ist ja die Nachzüglerin! Hurtig, hurtig, liebes Fräulein, wir haben schon lange genug gewartet!«
    Diese missbilligenden Worte, mit denen Emma auf dem Dampfschiff begrüßt wurde, sagte ein Mann, bei dessen Anblick sie in jeder anderen Situation innerlich gelacht hätte. Er mochte in seinen späten Zwanzigern sein, sah aber streng wie ein alter Patriarch auf sie herab. Sein imposanter blonder Schnurrbart ragte rechts und links über die Konturen des Gesichts hinaus,
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