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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita
Autoren: Robert Scheer
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Hochzeit?!
    Ein Mann steht nun, die Hände in die Hüften gestemmt, vor den etwas erschreckten Frauen.
    Ja, sagt er. Hochzeit. Sie, sagt er und zeigt auf die ältere Frau, Sie werden Mahmud heiraten.
    Heiraten?
    Noch heute. Heiraten. Es wird eine Hochzeit geben. Eine große Hochzeit. Noch heute. Bald.
    Wer sind Sie?
    Hassan. Mein Name ist Hassan, aber alle nennen mich Petrus, denn ich bin Christ. Araber und Christ. Ja, ja. Eine seltene Kombination, nicht wahr? Aber es gibt Araber, die Christen sind. Die meisten Araber sind Muslime, das ist wahr, aber nicht alle. Mahmud ist kein Christ wie wir, er ist mit Leib und Seele Muslim. Mahmud … 
    Mahmud?
    Der Mann, den Sie heiraten.
    Wie bitte?
    Mahmud hat Sie für zwei Kamele, sagt der Mann und zeigt mit dem rechten Zeigefinger auf die ältere Frau, oder waren es drei, ich weiß nicht mehr, jedenfalls für zwei oder drei, was ja viel ist, sehr viel, drei Kamele sind hier ein Vermögen, ein Vermögen, und dazu noch ein Dutzend Schafe und Ziegen gekauft. Mahmud ist großzügig. Sie können sicher sein, dass die Tiere gesund sind, Mahmud ist …
    Was meinen Sie, sagt die Ältere, was meinen Sie mit gekauft ? Was sagen Sie da? Wer hat was gekauft?
    Sie, zeigt der Mann auf die Jüngere, Sie haben Ihre Schwester verkauft. Mahmud hat ihre Schwester gekauft.
    Sie ist meine Mutter!
    Ihre Mutter sieht so aus, als wäre sie Ihre Schwester, sagt der Mann. Das kann doch nicht sein …
    Sie ist meine Mutter!
    Dann haben Sie eben Ihre Mutter verkauft, sagt der Mann kalt.
    Meine Mutter, sagt die jüngere Frau empört. Ich habe meine Mutter verkauft?! Wie kommen Sie dazu, Herr …
    Petrus, ohne Herr, nur Petrus. Oder Hassan. Aber lieber Petrus. Ich mag es, Petrus genannt zu werden. Die biblische Konnotation macht es so … schön … so christlich schön. Also bitte … Petrus.
    Wie kommen Sie darauf, Herr Petrus, dass …
    Petrus, fällt er ihr ins Wort, Petrus ohne Herr. Nur Petrus. Einfach Petrus. Petrus.
    Wie kommen Sie darauf, Petrus, dass ich meine Mutter verkauft habe? Wie um Himmels willen kommen Sie darauf? Wie … mein Gott …
    Bitte beruhigen Sie sich, liebes Fräulein, sagt der Mann. Petrus erklärt Ihnen alles. Nur keine Aufregung. Also bitte, bitte … Ich stand hier, nicht weit von hier, als Sie das Geschäft mit Mahmud besiegelt haben.
    Geschäft?
    Jawohl, sagt Petrus. Geschäft. Angebot und Nachfrage. Kauf und Verkauf. Geschäft. Und er wird bald kommen. Mahmud wird bald kommen. Mit seiner Hamula, mit der ganzen Familie.
    Familie?
    Jawohl. Und den Tieren.
    Tiere? Was für Tiere?
    Also wirklich, Madame, sagt Petrus mit Entschlossenheit in der Stimme. Die Dschamale, die Schafe und Ziegen, die Bezahlung, der Kaufpreis. Sie verstehen?
    Ich …
    Mahmud sorgt schon für alles. Ihr beiden sollt euch um nichts kümmern. Für alles wird gesorgt. Mahmud sorgt für alles.
    Alles, sagt die ältere Frau unwillkürlich.
    Natürlich, Madame. Für alles wird gesorgt. Sie werden schon sehen … Mahmud ist bekannt für seine unvergessliche Gastfreundschaft und seine Feste … Ihr werdet schon sehen … schön, sehr schön … Die Hochzeit wird in diesen Minuten vorbereitet. Schafe und Ziegen werden genau jetzt geschlachtet und zubereitet. Es wird gegrillt! Herrlich wird alles schmecken. Gut gewürzt, auf der Zunge zergehend. Nur keine Sorgen. Bald kommt Mahmud. Er kommt bald für euch, für Sie.
    Ich will aber gar nicht heiraten, sagt die ältere Frau.
    Wie bitte?
    Meine Mutter will nicht heiraten, sagt die Jüngere.
    Sie wollen nicht heiraten?
    Nein, sagen die Frauen. Nein! Nein!
    Mein Gott, sagt Petrus. Ihr wollt überhaupt nicht heiraten. Madame? Nein?! Dann warum, warum … Mein Gott. Ihr Europäer seid so … eine ganz andere Kultur … mein Gott. Mahmud wird beleidigt sein. Hier geht es um die Ehre. Versteht ihr, was ich sage? Ehre! Nein, nein. Er wird so etwas nicht zulassen. Nein.
    Nein?
    Nein, sagt Petrus ernst. Er wird heiraten wollen. Er findet Madame schön und will Sie unbedingt heiraten. Und Geschäft ist Geschäft. Sie, Sie … Sie haben Ihre Mutter verkauft. Sie können jetzt nicht sagen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben …
    Nie hatte ich vor, meine Mutter, meine eigene Mutter zu verkaufen, ich …
    Mein lieber allmächtiger Gott, sagt Petrus auf einmal. Ihr habt keine Ahnung, was ihr gemacht habt, mein lieber … es war also keine Absicht. Ihr Europäer kommt hierher und macht alles
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