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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita
Autoren: Robert Scheer
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Alte Sachen.
    Der Mann stieg aus dem Auto. Mit jedem Schritt wurde er größer. Die Sonne warf einen goldenen Schimmer auf seine Gestalt und die kleinen, kohlschwarzen Augen funkelten. Ein gepflegter, eleganter Schnurrbart verlieh der gesamten Erscheinung dieses fremden Wesens etwas Würdiges, ja Feierliches.
    Ein frontaler Blickkontakt machte die Sache klar: er wollte mit mir reden.
    Schalom, sagte er.
    Salam aleikum, sagte ich.
    Aleikum salam, sagte der Mann lächelnd und strich sich leicht über den Schnurrbart.
    Ob ich etwas zu verkaufen hätte.
    Vielleicht, erwiderte ich leise.
    Was?
    Wie bitte?
    Was gibt’s? … Kühlschrank? Fernseher? Computer?
    Ein Regal, sagte ich und räusperte mich zweimal.
    Wunderbar, sagte der Mann.
    Wir redeten ein wenig. Es stellte sich heraus, dass er ein Druse war. Er erzählte von der Situation in seinem Dorf, die nicht gut sei, denn die Kirschbäume seien verrückt geworden.
    Wer ist verrückt geworden?, erkundigte ich mich mit hochgezogenen Brauen.
    Statt mir zu antworten, bot mir der Druse eine Time-Zigarette an. Obwohl ich kein Raucher bin, nahm ich eine aus Höflichkeit. Der Mann gab mir Feuer und bohrte sich selbst eine zwischen die Lippen. Er zündete seine Zigarette an und schob Feuerzeug und Zigarettenschachtel vorsichtig in seine Hosentasche.
    Wer ist verrückt geworden?, fragte ich erneut.
    Der Druse schaute mir jetzt mit trauriger Miene in die Augen, dann sagte er mit seiner etwas rauen Stimme:
    Die Bäume, die Kirschbäume. Die Kirschbäume sind verrückt geworden. Deswegen muss ich mich mit Altisachen beschäftigen, ein Beruf, den ich längst aufgegeben hatte. Das Geschäft mit den Kirschen ging ausgezeichnet. Das Geschäft blühte von Jahr zu Jahr mehr. Die Kirschen erfreuten sich immer größerer Beliebtheit, mehr und mehr Menschen in Israel wurden auf Kirschen aufmerksam, die Magie dieser Frucht gewinnt jeden Tag an Popularität. Seit vielen Jahren bin ich nun Kirschbauer. Alle Menschen in meinem Dorf haben Profit aus den Vorzügen dieser aromatischen Frucht geschlagen und jahrelang gut vom Kirschgeschäft gelebt. Bis jetzt.
    Wie auf Kommando warfen der Mann und ich im gleichen Augenblick die Zigarettenkippe weg, was auf beiden Gesichtern ein kleines Lächeln hervorrief. Der Druse fuhr rasch mit der Hand in die Hosentasche, holte die Zigarettenschachtel heraus, bot mir eine an. Ich bedankte mich, nahm aber keine. Nach einem kleinen Hustenanfall steckte er die Schachtel wieder ein.
    Dann sagte ich: Was ist passiert?
    Der Druse sah kurz in die Luft, schnalzte mit der Zunge und sagte: Wie gesagt, die Kirschbäume sind verrückt geworden. Was meine ich mit verrückt ? Ich meine genau das. Verrückt. Wahnsinnig. Durchgeknallt. Meschugge. Ganz verrückt sind die Bäume geworden. Sie sind aber an ihrer Verrücktheit … die Bäume sind nicht schuld. Es sind nicht die Bäume schuld daran, dass sie schon jetzt blühen. Jetzt ist Herbst, und sie blühen! Zu einem völlig falschen Zeitpunkt! Das ist ganz verkehrt. So etwas ist noch niemals passiert. Die Kirschbäume blühen im Frühling, nicht im Herbst. Jetzt sind sie verrückt geworden, die Kirschbäume, und blühen im Herbst! Das ist eine Katastrophe! Eine große, riesengroße Katastrophe. Eine Tragödie.
    Der Mann verstummte, seine Augen wurden feucht.
    Der Klimawandel, sagte ich wie aus der Pistole geschossen.
    Ja, das Klima hat sich verändert, sagte der Kirschbauer. Es wird Jahre dauern, bis sich die Bäume von ihrer mentalen Instabilität, ja von ihrem Irrsinn erholen, wenn sie sich je erholen werden … Mein Gott! Du lieber Gott! Dezember diesen Jahres, 2010, ist eine ökologische Tragödie. Es ist der letzte Monat des Jahres, und es sind 30 Grad im Schatten. Die Leute lassen sich am Strand bräunen.
    Der Druse machte eine Pause, holte tief Luft. Er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und fuhr fort: Alles umsonst. Egal. Verzeihen Sie mir, geehrter Herr. Sie sagten, Sie hätten ein Regal zu verkaufen. Ich muss mich beeilen, denn ich muss noch einige Möbel aus den Karmelwäldern holen, also wenn Sie wollen – den Preis können wir festlegen, wenn ich das Regal sehe.
    Ich will es nicht verkaufen, sagte ich vehement.
    Ja, aber warum …, fragte der Mann mit trauriger Stimme.
    Ich will das Regal nicht verkaufen, unterbrach ich, ich will es Ihnen schenken.
    Ah, sagte der Druse und bedankte sich herzlich.
    Es gibt auch einige Bücher, sagte ich.
    Bücher brauche ich nicht, sagte der Druse. Das
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