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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita
Autoren: Robert Scheer
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Allerhand christlicher Tand wird hier den Touristen verkauft. Geschenkartikel. Kreuze aller Art und Größe. Bilder vom und Wasser aus dem See Genezareth. Produkte aus dem Toten Meer, Salz und Erde, israelische Fahnen, T-Shirts und alles andere, was man nicht braucht und trotzdem kauft.
    Die beiden Touristinnen finden alles schön und märchenhaft. Sie können ihr Glück kaum fassen. Typisch Touristen. Für sie ist alles hier exotisch. Ein Privileg. Bunt und würzig. Das kanaanäische Wetter ist fabelhaft. Nicht jedermanns Sache, das verstehen sie langsam, dennoch besser als die düstere Witterung, der ständige Regen im alten Kontinent Europa.
    Ja, sagt die ältere Frau, es ist hier bestimmt ein wenig heiß, die Luft bewegt sich kaum, man kann kaum atmen, es entsteht zweifellos ein Sauerstoffmangel, die Lunge muss pumpen und pumpen, sich anstrengen, dennoch, und das Wort dennoch wiederholt sie mehrere Male, dennoch ist es mir lieber, dieser häufige Zustand der Atemlosigkeit, es ist mir doch dieser lieber als der deutsche Herbst.
    Ja, Mutter, sagt die Jüngere schmunzelnd. Bei uns in Deutschland … kein Wunder, dass im Herbst sich so viele Menschen das Leben nehmen. Es gibt keine Sonne, keine Glückshormone. Nur die Kälte und das Graue.
    Hier im Nahen Osten badet man buchstäblich in Sonne, sagt die Ältere, hier gibt es Sonne und Hitze im Überfluss.
    Die Frauen stehen nun außerhalb der Kirche. In einem kleinen Garten Eden sehen sich die zwei Frauen gespannt die vielen auf der Wand ausgestellten Bilder, gespendete Kunstwerke aus der ganzen Welt, an. Sie betrachten die Bilder aus Deutschland, Ungarn, Österreich, Rumänien und vielen anderen Ländern mit großem Interesse. Sie gehen den Kreuzgang entlang und verewigen ihre Anwesenheit mit dem Fotoapparat.
    Und dann werden sie abgelöst von den Touristengruppen in ihren Bussen. Gleich werden die sich auf die Kirche stürzen, laut sprechen, Fotos schießen und rasch in ihre klimatisierten Busse zurückkehren und zu einem anderen heiligen Ort ihrer Pilgerfahrt fahren, denn in dieser Region mangelt es kaum an Heiligtümern.
    Zu Hause werden sie alles erzählen, alles vorzeigen. Mitbringsel. Fotos. Videos. Beweise ihrer leibhaftigen Anwesenheit im Lande von Milch und Honig. Und lächeln. Einfach so lächeln. Nicht jeder hat ja Erinnerungen aus Bethlehem, Jerusalem und Nazareth. Keine Selbstverständlichkeit. Eine durchaus beseligende Erfahrung für viele. Dieses Glück. Eine Pilgerfahrt zu heiligen Stätten, die heiligsten Stätten überhaupt. Touristen kommen und gehen. Nur der Konflikt in einem Land mit so vielen Heiligtümern bleibt. Der Ort ist heilig. Friedlich aber nicht. Noch nicht. Eine Hoffnung besteht dennoch ernsthaft. Seit Jahrzehnten, Jahrhunderten. Jahrtausenden. Frieden. Salam. Schalom.
    Vielleicht wird es auch mal Frieden in Israel und im Nahen Osten geben, sagt die Jüngere. Die Ältere sagt nichts, sie schaut nur etwas skeptisch.
    Denkst du nicht, dass es hier bald Frieden geben wird?
    Vielleicht, sagt die Mutter, vielleicht wird eines Tages überall auf der Welt Frieden herrschen.
    Inschallah, sagt eine Stimme. Die Frauen drehen sich um. Ein Mann in traditioneller arabischer Kleidung, mit einem Keffija auf seinem Kopf, signalisiert mit unmissverständlichem Flattern seiner beiden Hände, dass die beiden zu ihm kommen sollen. Er sitzt auf einem Kamel.
    Salam aleikum, sagt der Araber und streicht sich einige Male über den Schnurrbart. Das Kamel steht im Schatten. Groß und schön ist es. Makellose Zähne. Es scheint etwas zu kauen.
    Ein Dschamal für Madame, sagt der Araber charmant.
    Wie bitte?
    Zwei Dschamale.
    Dschamal?
    Wüstenschiffe, ja, Dschamale, Kamele, sagt der Araber mit Nachdruck. Drei Dschamale. Nicht mehr als drei Dschamale. Dazu ein paar Dutzend Schafe und Ziegen. Okay?!
    Okay?
    Okay, sagt der Araber zufrieden. Gutes Geschäft. Mit Mahmud Sie machen gutes Geschäft.
    Geschäft? Mahmud?
    Ich, sagt der Araber und klopft sich mit dem rechten Zeigefinger einige Male gegen die Brust, ich bin Mahmud. Gute Dschamale. Gutes Geschäft. Sie werden nicht bereuen. Ich bin ein reicher Mann. Ich werde Madame gut behandeln. Versprochen.
    Plötzlich verabschiedet sich der Araber und winkt den Frauen zu. Bald komme ich zurück, sagt er entschlossen und sieht sehr majestätisch aus auf dem großen, schönen Kamel. Wir machen eine schöne Hochzeit – diese Worte sind nur noch aus der Entfernung zu hören.
    Hochzeit? Hat er Hochzeit gesagt?
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