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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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damit sie blieb und mit ihnen zusammen dem Sommer entgegentanzte … Sie schüttelte den Kopf. Was für törichte Gedanken! Diese süß duftenden Blüten waren genau das richtige für einen sorglosen Paradiesvogel wie Lady Rose. Sie, Penelope, würde sie häkeln … Sehr vorsichtig nahm sie Lady Rose das Garn aus der Hand, strich mit ihren schmalen Fingern über die Rolle und löste einen Faden heraus. Das Garn fühlte sich an, als habe es jemand verzaubert, und die satte tiefrosa Farbe berührte ihre Sinne. Dann beging sie in ihrem neuen Hochmut einen Fehler – sie widersprach der Lady.
    »Mylady, die Frauen in Marseille bilden solche Blüten in
matelassage
ab, sie formen sie aus Watte und umsticken sie dann. Aber sie häkeln sie nicht, sie –«
    »Ich will einen gehäkelten Schal, Mädchen. So wie der, den die Katze zerstört hat.« Lady Roses Stimme hatte einen kehligen Ton bekommen – jenen Ton, den sie anschlug, wenn sie ihren Willen durchsetzte, und den jedermann im Haus fürchtete, weil er keine Widerrede duldete.
    Lady Rose drückte den Vorhang zur Seite und bückte sich zu ihren Rosen, die vollen Lippen in Missmut verzogen. »In diesem Haus gibt es keinen Franzosenkram. Ich will nie wieder so einen Unfug hören, verstehst du mich?«
    »Ja, Mylady.«
    »Erwähne niemals wieder Franzosenkram«, wiederholte die Lady und pflückte ein verwelktes Blatt von dem Rosenstock. »Wir sind ein ehrenwertes Haus, wir brauchen keinen Franzosenkram.«
    Die Pfirsichblüten wippten erstaunt – Unfug, natürlich saßen sie immer noch so wie vorhin auf ihrem roten Ast. Penelopes Augen spielten ihr in der beginnenden Dämmerung schon wieder Streiche. Dann wurde die Salontür geöffnet.
    »Das ist ja eine unerhörte Frechheit. Sofort verlässt du dieses Haus, sofort –« Mistress Anabells Zorn erfüllte den Salon. Mit scharfem Blick fand sie Penelope im Erker – offensichtlich alleine, denn die Lady war ja durch den Vorhang verborgen. »Und vorher werde ich dir noch einprügeln, wie man –« Unter den Schritten der Hausdame wackelten nicht nur die Gläser in der Vitrine. Man hörte die Katze fauchen und mit ausgefahrenen Krallen über den Holzboden fliehen. Allein Lady Rose’ Geistesgegenwart war es zu verdanken, dass die Mistress ihre nach Penelope ausgestreckte Hand schnell wieder zurückzog, als sie entdeckte, dass das Nähmädchen doch nicht alleine im Erker stand.
    »Ich … was … ich … Mylady, ich verstehe nicht –«
    »Wir sprechen über Häkelmuster.« Der Boden des duftenden Erkers erbebte. Lady Rose hatte sich mit Schwung zu der Hausdame umgedreht. »Wir sprachen über Häkelmuster, meine liebe Mistress.«
    Über diesen simplen Satz lächelten sogar die Pfirsichblüten. Vielleicht lächelten sie auch nur über die wütende Haltung der beiden Frauen, die einander nun wie zwei Katzen belauerten, bereit, der anderen in die Haare zu greifen, was gewiss keine von ihnen tun würde, aber der Gedankeschien wundervoll. Penelopes Herz klopfte zum Zerspringen. Zeugten solche närrischen Gedanken nicht davon, dass sie dem Irrsinn nahe war?
    »Wir sprachen über Häkelmuster«, wiederholte Lady Rose. »Das Mädchen wird mir eine Spitze häkeln, dass Ihr es nur wisst. Jeden Nachmittag wird sie hier im Erker sitzen und mir meinen Schal anfertigen.« Ihr Lächeln spiegelte die hintersinnige Süße der Nougatkugeln wider und verfehlte seine Wirkung nicht: Die Mistress deutete eine Verbeugung an und verließ den Salon.
     
    Mary MacFadden starrte ihre Tochter ungläubig an.
    »Was hast du ihr versprochen – was? Diese Leute haben dich eingestellt, damit du Wäsche flickst, sie geben dir sogar gutes Essen, und du hast nichts Besseres zu tun, als ihnen … Spitze zu versprechen? Bist du noch ganz gescheit?« Ihr Lachen war kurz und hart und alles andere als ehrlich. »Na, dann sieh zu, wie du da wieder herauskommst.«
    Mary drehte sich um und reinigte auf dem Esstisch in einer Schüssel die Instrumente, mit denen sie gegen Mittag eine junge Frau aus großer Verlegenheit erlöst hatte. Angewidert sah Penelope die blut- und schleimverschmierten Silberstäbchen an, die die Mutter wie einen kostbaren Schatz hütete, weil sie den Leib einer Frau ohne Schmerzen öffneten, wenn man die ungewollte Frucht herausholen musste. Kaum ein Doktor besaß solche Stäbchen, doch das machte sie nicht besser. Penelope kniff verärgert die Augen zusammen. Und sie erlaubte sich einen Gedanken, der eigentlich seinen Platz vor dem Einschlafen hatte
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