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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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war es ja geschehen. »Ich bin Spitzenhäklerin, Mylady.« Das klang wirklich hochmütig, unglaublich hochmütig. Aber auf eigenartige Weise straffte es auch ihren Rücken – sie war eine der besten Häklerinnen, wie selbst Madam Harcotte mehrfach gesagt hatte.
    »Jetzt weiß ich’s.« Die Lady trat noch einen Schritt auf sie zu und legte den Finger unter ihr Kinn. »Du bist die Tochter der Schottin, die letzte Woche das Küchenmädchen … äh … besucht hat. Sie hat von dir gesprochen. Ich erinnere mich.« Sie zwinkerte. »Sie hat dich tüchtig genannt. Und sie war stolz auf dich. Du musst wirklich gut sein.«
    Die Mutter war stolz gewesen! Wie ein warmer Schauer rannen die Worte an Penelopes Rücken herab. »Ich kann Euch solch einen Schal häkeln, wenn Ihr es wünscht, Mylady«, sagte sie, nun mit fester Stimme. »Ganz nach Euren Wünschen. Den schönsten Schal, den Ihr je in der Hand hattet.«
    Die Lady strahlte. Der zerfranste Schal flog in die Ecke. »Fangen wir an, Mädchen. Ich kann’s kaum erwarten. Pass auf!« Wie ein fröhlicher Vogel flatterte sie durch den Raum, riss den Schrank auf, dann eine Kommode. Der Holzboden erbebte ein weiteres Mal unter ihren Tritten, während das Seidenkleid raschelnd hinter ihr herwehte.
    »Hach! Warte! Ich hab’s gleich!«
    Und als sie die schneeweiße Ecktruhe öffnete und sich hinunterbückte, um darin zu kramen, wackelte ihr stattliches Hinterteil unter dem Gewand hin und her. Penelope hörte sie angestrengt schnaufen, weil ihr Arm zu kurz oder der Bauch zu dick war. Dann ertönte ein Schrei des Entzückens – die Lady hatte gefunden, wonach sie die ganze Zeit gesucht hatte.
    »Schau her! Dieses wundervolle Garn hat mir eine Tante vererbt, die vergangenes Jahr gestorben ist. Kannst du daraus etwas anfertigen? Einen Schal, der meine Schultern bedeckt – bis hier?« Lady Rose’ fleischige Schultern waren eine enorme zu behäkelnde Fläche, und Penelope wusste sofort, dass sie viele Wochen an solch einer Arbeit sitzen würde. Ihr Hochmut trieb sie vorwärts. Viele Wochen häkeln hieß auch viele Wochen in diesem Haus verweilen, mit warmen Füßen, den Bauch voll Essen und vielleicht noch mal mit so einem Stück Nougat.
    »Das kann ich Euch wohl häkeln, Mylady«, sagte sie und nahm der Lady vorsichtig das Garnknäuel aus der Hand.Es war ein kostbares Material, aus feiner Maulbeerseide gesponnen, vermutlich in einer fernöstlichen Spinnerei entstanden. Die rosa Farbe wirkte geradezu märchenhaft … wie dieser nach Konfekt duftende weiße Salon, der einem verzauberten Vogelbauer gleich in der Kastanie neben dem Haus schaukelte und genauso wenig zum Rest des Haushaltes zu gehören schien wie der darin herumflatternde Vogel im Seidenkleid …
    »Wundervoll!« Lady Rose zog Penelope überschwänglich an ihre weiche Brust. Für einen Moment betäubte der Geruch von schwerem Rosenparfüm ihre Sinne. Ich träume, dachte sie, ich träume, verdammt. »Komm!« Sogleich ging es weiter zu einem Erker an der Fensterfront. »Ich zeig dir noch was. Komm, schnell.«
    Ein geschickter Baumeister hatte in diesen Erker eine Art schwebenden Garten gebaut. In Töpfe gepflanzte Rosenstöcke schienen an der Wand aufgereiht auf den Frühling zu warten, ihre hellgrünen Sprossen ahnten seine Vorboten. An der Südseite des Erkers drängte sich ein merkwürdiges Gewächs an das Wandspalier – ein junger Baum mit blattlosen dunkelroten Ästen, auf denen wie Schmetterlinge rosafarbene Blüten saßen. Ihre dunkelroten Stempel ragten stolz in die Luft und verbreiteten einen betörend sanften Duft.
    »Das ist ein Pfirsichbaum«, erklärte Lady Rose freudig. »Den hat mein Vater mir aus dem Fernen Osten mitgebracht. Und er ist nicht eingegangen, wie sie alle prophezeit haben! Sieh nur, wie herrlich er blüht! Er ist der erste Baum, der blüht. Er schenkt dir erst die Blüten, dann die Blätter – und dann die Früchte – hmmm!« Ihre strahlenden Augen vermochten kaum zu verraten, was sie davon mehr entzückte. »Und nun schau hier – wie findest du das?« Siehielt eines der Knäuel gegen eine Blüte. Es hatte fast dieselbe Farbe. »Ist das nicht wundervoll? Zauberhaft? Als hätte meine liebe Tante das gewusst! Ach, ganz sicher hat sie es gewusst! Ich will einen Schal aus Pfirsichblüten! Kannst du mir so was häkeln, Mädchen?«
    Penelope trat näher an den Baum heran. Die Blüten schauten sie freundlich an, und fast war es, als würden sie ihren Duft nun allein in ihre Richtung verströmen,
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