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Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman

Titel: Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
Autoren: Elizabeth Haran
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Herrenhaus in Mintaro. Die wenigen, die es gesehen hatten, beschrieben es als protzig und palastähnlich. Noch mehr aber erstaunte sie, dass ihr Vater die Einladung angenommen hatte, stand Mr. Mason doch in dem Ruf, auf die Arbeiterklasse herabzusehen und seine Untergebenen skrupellos auszubeuten.
    Finlay wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. »Nun, zum Abendessen, wie ich schon sagte. Und ich wette, dass ein Festschmaus auf uns warten wird, vielleicht eine gebratene Lammkeule mit allem, was dazugehört. Das wär doch mal was, Abbey, hm?« Er leckte sich in gieriger Vorfreude die Lippen. »Ich hoffe nur, Ebenezer Mason hat genug Bier im Haus. Diese stinkvornehmen Weine sind nichts für mich.«
    »Dad, ich verstehe das nicht! Ich dachte, du hältst nicht viel von Mr. Mason.« Abbey sah ihren Vater misstrauisch an. Wie oft hatte er über den Minenbesitzer geschimpft, weil dieser als Geizkragen bekannt war und seine Knickerigkeit das Leben der Bergleute gefährdete.
    »Ja, das war auch so«, antwortete Finlay nachdenklich.
    »Und jetzt hast du deine Meinung geändert?« Abbey war verwirrt, weil sie nicht verstand, was auf einmal anders geworden war.
    »Ich habe diesen Mann in den letzten Wochen näher kennen gelernt, Abbey, und heute schäme ich mich dafür, dass ich so hart über ihn geurteilt habe.«
    »Ich dachte, du hättest allen Grund, ihn zu hassen.«
    Finlay nickte. »Ja, das dachte ich auch.« Abbeys Vater klang müde. Er brach ein Stück Brot ab und begann, geräuschvoll seine Suppe zu schlürfen.
    Abbey verzog schmerzlich das Gesicht bei dem Gedanken daran, dass er im vornehmen Speisezimmer von Martindale Hall genauso schlürfen und schmatzen würde.
    »Wir müssen an deine Zukunft denken, Abbey«, fuhr Finlay unvermittelt fort.
    »Meine Zukunft?«, wiederholte die junge Frau verdutzt. »Was hat das mit der Einladung nach Martindale Hall zu tun?« Ein Gedanke durchzuckte sie, und sie wurde unwillkürlich rot, als sie begriff, was ihr Vater möglicherweise im Schilde führte. Sie kannte seine Anspielungen auf potenzielle Ehemänner, auf Männer, die seiner Ansicht nach die richtigen für sie waren, wie der Sohn des Bürgermeisters oder der Direktor des Royal Exchange Hotel. Einmal hatte Finlay sogar versucht, sie mit dem Polizeichef, einem Mann Ende dreißig, zu verkuppeln. Abbey war das furchtbar peinlich, weil all diese Männer ihrer Meinung nach entweder zu alt oder höherrangig waren. Ihr Vater glaubte doch wohl nicht, Ebenezer Masons Sohn könnte an ihr interessiert sein?
    Doch dann fiel ihr ein, dass sie gehört hatte, der Sohn wohne nicht im Herrenhaus, sondern in einem kleinen Cottage irgendwo auf dem riesengroßen Gutsbesitz. Nach einer Auseinandersetzung wegen Ebenezers kurzer Ehe mit einer viel jüngeren Frau, so erzählten die Leute, war der Kontakt zwischen Vater und Sohn mehr oder weniger abgerissen. Aber niemand wusste etwas Genaues. Freunde hatten Abbey seine Kutsche gezeigt, wenn er, was selten vorkam, einmal durch Burra fuhr, aber gesehen hatte sie ihn nie.
    »Ebenezer Mason möchte dich gern kennen lernen, Abbey«, sagte Finlay. Der Ausdruck von Missfallen und Verwunderung auf ihrem Gesicht entging ihm nicht, und er unterdrückte einen gereizten Seufzer. Der mangelnde Ehrgeiz seiner Tochter, einen Ehemann zu finden, der ihr ein angenehmes Leben bieten konnte, hatte ihn immer schon verdrossen.
    Natürlich war Finlay voreingenommen, aber seiner Meinung nach konnte sich jeder Mann glücklich schätzen, eine Schönheit wie Abbey zur Frau zu bekommen. Allerdings war ihm nicht jeder gut genug für sie. Abbey war zwar ein bisschen dünn, genau wie ihre Mutter vor der Geburt ihrer Kinder, aber ihre langen, welligen Haare schimmerten wie Kohle in der Sonne, und ihre Augen waren so blau wie das Meer.
    »Ich glaube, er hat ein Auge auf dich geworfen«, fügte er hinzu. In Wirklichkeit glaubte er es nicht nur, er wusste es, aber das wollte er seiner naiven Tochter möglichst schonend beibringen.
    »Was?« Jetzt bekam es Abbey mit der Angst zu tun. »Aber … aber Mr. Mason ist ein alter Mann! Er muss doch in deinem Alter sein, Dad!« Ihr schauderte bei dem Gedanken an irgendetwas Romantisches zwischen ihnen. Sie konnte es nicht fassen, dass ihr Vater allen Ernstes glaubte, sie könnte einen Mann seines Alters als geeigneten Verehrer betrachten.
    »Alt« war für eine blutjunge Achtzehnjährige wie Abbey jeder über dreißig. Ebenezer Mason war dreiundfünfzig, nur fünf Jahre jünger als ihr Vater,
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