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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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atypisch für eine Pilzvergiftung … andererseits bedeutete dies dennoch einen kleinen Lichtblick ins geheimnisvolle Dunkel der unbekannten Krankheit: Die Leber sah aus wie nach einer Vergiftung!
    Hatte jemand, der im Hintergrund die Mordbefehle gab, die Todesfrauen mit einem unbekannten Gift paralysiert? Ein Gedanke, der elektrisierte.
    Dr. Wang nickte abgeschlafft, als Dr. Merker ihm das mitteilte. »Alles schon in Erwägung gezogen«, sagte er todmüde und zog seinen Rock wieder an. »Es ist kein Gift zu analysieren. Und Gift wirkt immer gleich. Hier haben wir fünf Opfer, die völlig verschieden starben, was den Zeitabstand betrifft. Bei Gift ist das nicht möglich. Es hat nur einen begrenzten Wirkungsspielraum.«
    »Wir gehen immer vom Bekannten aus! Hier liegt etwas Unbekanntes vor, Herr Kollege.«
    Dr. Wang nickte schwer, winkte ab: »Ich lege mich hin. Übernehmen Sie den ganzen Fall, Doktol Melkel. Ich kann mich nicht für eine noch so schöne Kranke kaputtmachen … ich gehöre Hunderten von Patienten in meinem Hospital. Lesen Sie meine Berichte … genauso wird auch diese Frau sterben. Gute Nacht.«
    Vier Tage und vier Nächte blieb Dr. Merker neben der Unbekannten. Die Besinnungslosigkeit hielt an … sonst war nichts an ihr zu sehen, zu tasten, zu hören. Der Puls war etwas vermindert, das Herz schlug langsamer, aber keinerlei Gelbfärbung der Haut wies darauf hin, daß der Leberzerfall weiter fortschritt.
    Am fünften Tag erhielt Dr. Merker ein kleines Päckchen. Es kam, laut Absender, von einer Uhrenfirma aus Victoria, drüben von der Insel Hongkong. Da Dr. Merker dort weder eine Uhr gekauft noch in Reparatur hatte, öffnete er das Päckchen mit Vorsicht; aber nichts explodierte, zischte oder strömte Gas aus. Chinesen sind da von einem großen Einfallsreichtum.
    Das Päckchen war fein säuberlich mit rosa Watte ausgelegt. Auf der Watte lag, wie ein wertvolles Schmuckstück, ein gebogener Zahn. Dr. Merker nahm ihn mit einer Pinzette hoch und hob ihn nahe an seine Augen. Erst dann betrachtete er den Zettel, der ihm in englischer Sprache mitteilte:
    »Lassen Sie sterben, was auf Erden keine Heimat mehr hat. Retten Sie ein Leben, das noch eine Zukunft hat, Ihres!«
    Dr. Merker rief sofort Ting an und las ihm das Schreiben vor. »Das Präsent ist der Giftzahn einer Schlange«, sagte er. »Ich finde diese Art der Drohung sehr apart …«
    »Dies zeigt auf jeden Fall: Das Phantom im Dunkeln wird unruhig und hat Sie als Gefahr erkannt.«
    »Sehr tröstlich, Mr. Ting!« Dr. Merker legte den Giftzahn auf die rosa Watte zurück. »Wissen Sie, wie einfach es ist, einen Menschen umzubringen?«
    »Natürlich. Das ist ja unser Brot, so etwas zu entdecken.«
    »Und wie schütze ich mich inmitten von drei Millionen gleichaussehender Chinesen?«
    »Wie inmitten von drei Millionen Europäern. Haben Sie Angst, Doktol Melkel?«
    »Ich kann nicht sagen, daß ich darüber fröhlich bin, irgendeinem Unbekannten im Visier zu stehen.«
    »Sie geben auf?«
    »Wir kennen uns noch nicht lange genug, Mr. Ting!« sagte Dr. Merker fest. »Ich bin Arzt. Ich habe hier ein medizinisches Problem. Das verpflichtet mich auf Teufel komm raus! Ist das eine gute Antwort?«
    »Eine sehr gute.« Ting Tse-tung lächelte breit, aber das sah Dr. Merker ja nicht. »Gott beschütze Sie …«
    »Sicherer wären eine gute Pistole und eine Schußweste. Schicken Sie mir beides ins Hospital, Mr. Ting.«
    An diesem Abend schlug die unbekannte Mörderin die Augen auf und starrte Dr. Merker mit einem klaren Blick an. Sie rührte sich nicht, lag ohne Bewegung da, nur ihre Nasenflügel blähten sich, und ihr Blick wanderte von der Decke des Zimmers zu Dr. Merker und dann nach allen Seiten.
    »Guten Abend, Sie wunderschönes Mädchen«, sagte Dr. Merker und beugte sich zu ihr hinunter. »Sie werden es nie erraten: Sie liegen in einem Bett des Military Hospitals von Kowloon. Ich bin Ihr Arzt, Dr. Fritz Merker. Und wer sind Sie?«
    Die Unbekannte lächelte wieder, drehte den Kopf zur linken Seite und fragte mit einer hellen klaren Stimme:
    »Wo ist Yo?«
    In diesem Augenblick hätte Dr. Merker sie küssen können. Eine Pforte ins Unbekannte war aufgebrochen.

2
    Wenn sich die Mitglieder der Geheimorganisation trafen – und das geschah in der letzten Zeit öfter als zuvor –, wußte keiner der Teilnehmer, wo es sein würde. Immer waren es andere Stellen, andere Räume, andere Umstände, und immer erhielt man den Befehl erst wenige Stunden vorher per Telefon
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