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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel
Autoren: Wilton Barnhardt
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stand sie auf, zog ihren Pullover wieder an und kletterte zurück ins Bett.
    Alles war so englisch! Wie aufregend, in Oxford zu sein!
    21. Juni 1990
    Lucy erwachte im ersten Morgengrauen, offenbar noch nicht an ihre neue Zeitzone angepasst . Sie las weiter in ihrem Reiseführer, dann machte sie sich auf den Weg in den Duschraum auf der anderen Seite des Treppenabsatzes, eine kalte Kammer mit einer Tür, die nicht Schloss . Als sie wieder zurück in ihr Zimmer ging, fand sie eine Hausangestellte vor, die staubsaugte. Ihr Gepäck war spurlos verschwunden. Die Angestellte wiederholte mehrmals: »Ich weiß von nichts, meine Liebe.« Lucy, die zitternd vor Kälte ihren Bademantel zuhielt, traf im Treppenhaus auf eine attraktive, große Brünette mit Baskenmütze, die zu ihren langen Beinen in purpurroten Strümpfen einen kurzen Rock trug und gerade die Stufen emporstieg, eine leere Champagnerflasche im Arm, vielleicht jetzt gerade auf dem Heimweg von einer Party.
    »Man hat mich aus dem Zimmer oben hinausgeworfen«, erklärte Lucy empört.
    »Wie gemein!« erwiderte das Mädchen mitleidig, mit einem munteren, vornehmen Akzent. »Wenn er Sie nicht wieder hineinlässt , klopfen Sie bei mir, dann werde ich ihm ordentlich in die Eier treten.« Lucy wanderte durch die Höfe und stellte sich dem neuen Pförtner zum Kampf.
    »Sie sind also die aus dem Gästezimmer«, sagte er vorwurfsvoll. »Wir dachten, Sie hätten sich aus dem Staub gemacht, ohne zu bezahlen. Hehe, wir haben Ihre Sachen als Pfand behalten …« Mit einer Handbewegung deutete er nach hinten, und Lucy sah ihre Reisetasche und ihren Koffer in der Pförtnerloge stehen.
    »Kann ich sie bitte haben«, fragte sie, einigermaßen verärgert, und klapperte vor Kälte mit den Zähnen.
    »Nicht bevor Sie die Zimmerrechnung von 6 Pfund 25 und eine Extragebühr von 1 Pfund für das Unterstellen Ihrer Sachen bezahlt haben. Sie hätten sich lieber gestern um diese Rechnung kümmern sollen, Miss«, murmelte er.
    »Zu Ihrer Information: Ich habe gestern bezahlt! Sie können nachsehen!« Der Pförtner blätterte eine Weile, entdeckte den Eintrag und fragte dann: »Bleiben Sie auch heute Nacht ?«
    »Ich nehme an.«
    »Gut, dann bezahlen Sie eben jetzt für die kommende Nacht. Einverstanden?«
    Lucy zahlte – auch für das Unterstellen ihres Gepäcks –, und der Pförtner schleifte ihr Gepäck zur
    Tür. Lucy furchte die Stirn angesichts der Aussicht, es noch einmal die Treppe hinaufschleppen zu müssen. »Oh, Miss«, sagte der Pförtner, »ich nehme an, Sie wollen eine Frühstücksmarke.«
    Lucy überlegte. Ein Frühstück wäre fein. Ja, englisches Frühstück, scones und starker Earl Grey in glänzenden Kannen … »Wieviel kostet es?«
    »1 Pfund 95, wirklich günstig, wirklich.«
    »Okay, ich nehme eine Marke.«
    Der Mann deutete auf das größte Steingebäude am Rand des gepflegten Hofes. »Das ist die Hall, Sie können sie gar nicht verfehlen. Seien Sie pünktlich um acht Uhr zwanzig an der Tür.«
    Lucy schleppte ihr Gepäck wieder die Treppe hinauf, ging zurück in ihr Zimmer, zog sich eilig an, streifte zwei Pullover über, damit ihr warm würde, und rannte die Treppe hinunter, um sich um Punkt acht Uhr zwanzig an der Hall einzufinden. Sie hörte den Lärm eintrudelnder Studenten, das Klappern von Geschirr und Silber – aber die Tür, vor der sie stand, war verschlossen. Sie klopfte. Als keine Antwort kam, ging sie um das Gebäude herum und fand auf der anderen Seite einen kleinen, unscheinbaren Eingang.
    »Was glauben Sie wohl, wohin Sie gehen?« schnarrte ein Faktot um, das, mit Knollennase und al koholgeröteten Wangen wie der Pförtner, ebenfalls aus einem Dickens-Roman hätte stammen können. »Zum Frühstück?« meinte sie fragend. »Zeigen Sie Ihre halbe Marke!«
    Lucy zeigte die unzerrissene Marke, die in der Mitte perforiert war. »Ah, die nützt Ihnen jetzt nichts.«
    Lucy funkelte den Mann mit amerikanischer Ungeduld an. »Und warum nicht?«
    »Sie haben nicht die eine Hälfte zuvor in den Kasten geworfen, also konnten wir nicht wissen, daß Sie kommen würden, nicht wahr? Nicht, wenn Sie Ihre Marke nicht einwerfen.«
    Lucy erklärte, daß der Pförtner ihr diese Marke gerade verkauft habe und daß sie glaubte, dafür werde sie ein Frühstück bekommen. »O ja, o ja, aber nicht heute. Und außerdem ist es nach halb, sowieso zu spät, um einen Platz zu bekommen.«
    Na super, dachte Lucy, als sie wenig später durch die Tore von Braithwaite floh und in die
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