Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachentoeter

Der Drachentoeter

Titel: Der Drachentoeter
Autoren: Martin Scott
Vom Netzwerk:
draußen bin, sehe ich, dass sie ein Plakat angeschlagen hat, auf dem zu Spenden für die Vereinigung der Frauenzimmer aufgerufen wird. Das ist ganz schön mutig von ihr, denn viele Leute missbilligen diese Vereinigung der Frauenzimmer. Es ist eine inoffizielle Organisation, die vom König, vom Palast, vom Senat, von der Kirche, von den Zünften, Gilden und Innungen, und außerdem praktisch von jedem Mann in der Stadt mit tiefsten Misstrauen beargwöhnt wird.
    »Eine sündige Sache«, sagt jemand neben mir.
    Es ist Litanex, der örtliche Pontifex, ein Priester der Wahren Kirche.
    Ich grüße ihn freundlich, wenn auch leicht skeptisch. In Litanex’ Nähe fühle ich mich immer etwas unbehaglich. Ich habe den Eindruck, dass er meinen Lebenswandel missbilligt.
    »Ihr sympathisiert nicht mit ihren Zielen, Pontifex Litanex?«
    Natürlich tut er das nicht. Eine Frauenorganisation ist für die Wahre Kirche ein Gräuel. Der junge Pontifex scheint ziemlich aufgebracht zu sein. Ihm missfällt nicht nur das Plakat, er scheint auch Marzipixas Bäckerei nicht sonderlich zu mögen.
    »Frauen sollten keine Geschäfte führen«, beklagt er sich.
    Da Marzipixa die einzige halbwegs annehmbare Bäckerei im ganzen Bezirk von Zwölf Seen führt, kann ich dem ganz und gar nicht zustimmen, aber ich halte den Mund. Ich will mit einem Vertreter der Kirche nicht streiten. Sie ist zu mächtig, als dass man es sich mit ihr verscherzen sollte.
    »Ich habe Euch in letzter Zeit nicht in der Kirche gesehen«, überrumpelt mich Litanex.
    »Ich hatte sehr viel zu tun«, antworte ich lahm. Das war ziemlich dumm, denn prompt bringt mir das den Tadel ein, dass ich die Arbeit über den Kirchgang stelle.
    »Ich werde auf jeden Fall alles versuchen, um diese Woche zu erscheinen«, sage ich so überzeugend wie möglich, und flüchte. Ich kann nicht gerade behaupten, dass mir dieses Gespräch Vergnügen bereitet hätte. Der Pontifex ist gar nicht so übel, vorausgesetzt, er lass einen in Ruhe. Aber wenn er jetzt plötzlich anfängt, sich um mein Seelenheil Sorgen zu machen, hört der Spaß entschieden auf.

4. Kapitel
    Ich steige vorsichtig über die drei jungen Boah-Süchtigen, die in der Gosse liegen, hinweg und seufze. Die Öffnung der südlichen Handelsroute über Mattesh wurde von unserem König als Triumph der Diplomatie gefeiert. Der Handel fing auch bald an zu florieren, aber unglücklicherweise ist Boah der Importschlager. Der Gebrauch dieses starken Rauschmittels hat sich mittlerweile in der ganzen Stadt verbreitet. Bettler, Seeleute, jugendliche Schüler, Huren, Herumtreiber, reiche junge Parvenüs und Müßiggänger, alle Schichten und Arten von Wesen, die sich früher damit begnügt haben, ihre Sorgen in Bier zu ertränken oder mit gelegentlichen Dosen der erheblich milderen Droge Thazis zu lindern, verbringen jetzt ihre Zeit in den Träumen, die ihnen der Genuss von Boah bringt. Unseligerweise ist Boah nicht nur teuer, sondern macht auch süchtig. Wenn man eine Dosis genommen hat, ist man so wohlgemut wie ein Elf in einem Baum, aber wenn die Wirkung nachlässt, fühlt man sich schrecklich. Die regelmäßigen Boah-Konsumenten, die die Hälfte ihres Lebens in seinem angenehmen Griff stecken, verbringen die andere Hälfte damit, Geld für die tägliche Dosis zusammenzukratzen. Seit es Boah gibt, hat sich das Verbrechen in Turai so explosionsartig wie eine Pilzkultur vermehrt. In vielen Stadtteilen kann man nachts nicht auf die Straße gehen, ohne fürchten zu müssen, überfallen zu werden. Die Häuser der Reichen sind von Mauern umgeben und werden von Angestellten der Sicherheitsgilde bewacht. Jugendbanden in den Elendsvierteln haben früher ab und zu mal Früchte von den Marktständen stibitzt. Jetzt benutzen sie bei ihren dreisten Überfällen auf offener Straße Messer und töten schon für ein paar Gurans.
    Turai geht allmählich vor die Hunde. Die Armen verzweifeln und die Reichen verprassen. Eines Tages wird König Lamachus von Nioj aus dem hohen Norden kommen und uns einfach so von der Landkarte radieren.
    Meine Stimmung hebt sich, als mein Schwert wieder an meinem Gürtel hängt, und ich in einer Mietdroschke, einem Landauer, über den Mond-und-Sterne-Boulevard rattere. Das ist die Hauptstraße von Turai. Sie verläuft von Norden nach Süden und führt von der Hafengegend von Zwölf Seen durch Pashish, ein armes, aber eher friedliches Viertel, und kreuzt schließlich die Allee-der-Königlichen, die die West-Ost-Achse durch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher