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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron
Autoren: Tad Williams
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zwei Steinhaufen, hoch am Hang eines Berges, über den der Wind dahinbrauste.
    König Elias starrte mit rotgeränderten Augen in einen Weinbecher. Leid lag auf seinen Knien. Das graue Schwert war ein wildes Tier, das so tat, als schliefe es …
    Plötzlich stand Morgenes vor ihm, flammengekrönt, und sein Anblick durchbohrte selbst Simons Drachenherz mit einem Speer aus eisigem Schmerz. Der alte Mann hielt ein großes Buch in der Hand, und seine Lippen bewegten sich in qualvoll stummen Schreien, als riefe er eine Warnung … hüte dich vor dem falschen Boten … hüte dich …
    Die Gesichter glitten davon, bis auf einen letzten Geist.
    Ein Junge, dünn und tolpatschig, suchte sich einen Weg durch dunkle unterirdische Tunnel. Er weinte und kroch durch das Labyrinth wie ein gefangenes Insekt. Jede Einzelheit, jede Drehung und Windung rollte sich mühsam vor seinen Augen ab.
    Der Junge stand auf einem Berghang unter dem Mond und starrte voller Grauen auf weißgesichtige Gestalten und ein graues Schwert, eine dunkle Wolke warf ihren Schatten auf den Jungen.
    Derselbe Junge, etwas älter, stand vor einem hohen weißen Turm. Von seinem Finger blitzte ein goldenes Licht, obgleich der Junge selbst in tiefem, immer dunkler werdendem Schatten stand. Glocken läuteten, und das Dach ging in Flammen auf …
    Auch ihn umgab jetzt Finsternis, zog ihn fort zu anderen, unheimlicheren Orten – aber er wollte nicht dorthin. Nicht ehe ihm der Name dieses Kindes wieder einfiel, dieses tolpatschigen Jungen, der von nichts eine Ahnung hatte. Er wollte nicht fort; er wollte sich erinnern …
    Der Name des Jungen war … der Name des Jungen war … Simon!
    Simon.
    Und dann verblasste alles vor seinen Augen.

    »Seoman«, sagte die Stimme, jetzt ganz laut; er begriff, dass sie ihn schon eine ganze Weile so rief.
    Er schlug die Augen auf. Die Farben waren so grell, dass er die Lider sofort wieder schloss. Wirbelnde Räder in Silber und Rot tanzten vor der Dunkelheit seiner geschlossenen Augen.
    »Komm, Seoman, komm zurück zu deinen Kameraden. Wir brauchen dich hier.«
    Er hob die Lider halb, um sich an das Licht zu gewöhnen. Jetzt waren alle Farben weg – es gab nur noch Weiß. Er stöhnte, versuchte sich zu bewegen und merkte, dass er unendlich schwach war, als liege eine schwere Last auf ihm und drücke ihn nieder; gleichzeitig kam er sich so durchsichtig und zerbrechlich vor, als wäre er aus reinem Glas gesponnen. Selbst bei geschlossenen Augen war ihm, als spüre er Licht, das ihn durchdrang und mit einem Glanz erfüllte, der keine Wärme mitbrachte.
    Ein Schatten streifte sein empfindliches Gesicht, als besäße er greifbares Gewicht. Etwas Nasses und Kaltes berührte seine Lippen. Er schluckte, empfand jähen Schmerz, hustete und trank noch einmal. Ihm war, als schmecke er jeden Ort, an dem das Wasser je gewesen war – den eisigen Gipfel, die geschwollene Regenwolke, den steinigen Wasserlauf im Gebirge.
    Er öffnete die Augen weiter. Es war wirklich alles überwältigend weiß, ausgenommen Jirikis goldenes Gesicht, das sich über ihn beugte. Er lag in einer Höhle, deren Wände bis auf die Spuren von dünnen Linien weiß wie Asche waren; Pelze, Holzschnitzereien und verzierte Gefäße waren an den Seiten auf dem Steinboden aufgeschichtet. Simons schwere Hände, taub und doch seltsam feinfühlig, umklammerten die Pelzdecke und betasteten schwach das hölzerne Lager, auf dem er ruhte. Wie …?
    »Ich …« Er hustete erneut.
    »Dir tut alles weh, und du bist müde. Das war zu erwarten.« Der Sitha runzelte die Stirn, ohne dass seine leuchtenden Augen ihren Ausdruck änderten. »Du hast etwas ganz Furchtbares getan, Seoman, weißt du das? Du hast mir zum zweiten Mal das Leben gerettet.«
    »Hmmm.« Sein Kopf reagierte so langsam wie seine Muskeln. Was war eigentlich geschehen? Da war der Berg gewesen … die Höhle … und der …
    »Der Drache!«, sagte Simon, verschluckte sich und versuchte sich aufzurichten. Die Pelzdecke rutschte zur Seite, und er merkte erst jetzt, wie kalt der Raum war. Unter einem Stück Leder an seinem anderen Ende sickerte Licht herein. Ein plötzlicher Schwindel überkam ihn und machte ihn schlaff. Kopf und Gesicht pochten. Er sank zurück.
    »Fort«, antwortete Jiriki kurz. »Ich weiß nicht, ob tot oder nicht, aber er ist fort. Als du zuschlugst, taumelte er an dir vorbei und stürzte in den Abgrund. Im Schnee und Eis der großen Tiefen konnte ich nicht sehen, wohin er fiel. Du hast das Schwert Dorn
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