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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer
Autoren: Kate Pepper
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verbundenen Wirbeln, die einmal ihr Hals gewesen waren. Strähnen braungrauen Haars wie zerzaustes Heu auf ihrem Schädel. Verrottende Überreste ihrer Kleidung. Die verstreuten Puzzleteile, die man von ihrem Skelett ausmachen konnte.
    Übelkeit drohte mich zu überwältigen. Übelkeit und das Unvermögen, wirklich zu begreifen, was ich sah. Hier war also Nancy Maxtor, die Frau, nach der Mac, Alan und ich gesucht hatten. Anscheinend schon seit Jahren tot und begraben. Nachdem sie Neil Tanner seine neue Identität verschafft hatte, seine zweite Chance, wie lange hatten die beiden da noch gewartet, bis sie sich ihrer entledigten, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen – und an Nancys Geld zu kommen? Wie hatten die beiden ihr Verschwinden so lange verheimlichen können? Fragen rasten durch meinen Kopf, ohne dass mir plausible Antworten eingefallen wären; doch die spielten im Moment auch keine Rolle.
    Ich beugte mich herunter und packte Christa am Arm. Riss sie auf die Beine. Tränen liefen ihr über das geschundene Gesicht, aber ich war sicher, dass sie nicht vor Schmerzen weinte. Wahrscheinlich waren die Tränen ein Zeichen ihrer Enttäuschung. Demütigung. Wut. Aber mit Schmerz hatten sie nichts zu tun … weil Christa nicht genug Menschlichkeit in sich hatte für ein so hilflos machendes Gefühl wie Leid. Ihr Körper funktionierte nicht normal. Ihr krankes Gehirn stammte von einem anderen Planeten.
    «Keine Mätzchen mehr.» Ich richtete die Waffe auf sie.
    Sie starrte mich an. Für sie war das alles nur ein Spiel, mit Gewinnern, Verlierern, Ergebnissen.
    «Bitte, ich muss mich hinsetzen», sagte sie.
    «Ist Susanna hinter dem Regal?»
    Sie nickte.
    «Lebt sie?»
    Sie hob den Blick, versuchte mich zu manipulieren. «Bitte», wiederholte sie. «Mir ist schwindelig. Ich muss mich setzen.»
    Ich kam näher. «Lebt sie?», verlangte ich zu erfahren.
    Sie nickte.
    «Aufmachen.» Ich drückte ihr die Mündung der Waffe gegen die Schläfe. «Aufmachen, aufmachen, aufmachen.»
    Während sie den Rest des Teppichs vom Boden neben dem Regal abzog, hielt ich ihr die Pistole weiter an den Kopf. Die zwei meterlangen Rillen im Zement kamen nun ganz zum Vorschein. Ich zielte weiter auf ihren Kopf, als sie beide Hände gegen die innere rechte Seite des Regals presste und fest drückte. Es verschob sich entlang der Rillen und gab den Blick auf eine Tür frei. Über dem Türknauf befand sich ein Tastenfeld: fünf Reihen mit jeweils fünf Nummern. Das Sicherheitsschloss, dessen Kombination nur JPP – Christa und Neil – kannten.
    «Aufmachen», sagte ich. « Sofort . Oder ich begrab dich bei lebendigem Leibe, mit ihr da drin.»
    «Lass uns einen Deal machen.»
    «Kein Deal. Tipp die Zahlen ein.»
    «Ich wollte niemandem etwas antun, das war alles seine Idee.»
    Sie sagte das ohne jedes Gefühl, als hätte sie sich gerade eben jedes Wort zurechtgelegt. Ich wusste, dass sie log. Ihr war es egal, ob jemand umgekommen war oder gelitten hatte. Ihr war es egal, dass mein Kind und mein Mann auf brutalste Art durch die Hand ihres Komplizen gestorben waren. Weil sie mit Neil irgendein Spiel gespielt hatte. Ich nahm ihr keine Sekunde lang ab, dass Tanner der Kopf hinter all dem gewesen sein sollte.
    «Tipp die Kombination ein.» Ich drückte ihr den Lauf der Waffe fester gegen die Schläfe.
    Als sie die Finger auf das Tastenfeld legte, fiel mir auf, wie makellos ihre Hände manikürt waren. Kurze runde Nägel, jeder mit einem perfekten weißen Halbmond über dem Nagelbett. Die Nagelhaut makellos. Solche Hände machte man sich nicht schmutzig. Allein dieser Anblick verriet mir, wer bei jedem der Morde gnadenlos hinter den Kulissen Regie geführt hatte. Angefangen mit Christas eigener Familie. Und meine Familie war das Finale gewesen.
    Fünf Tasten, fünf Reihen.
    Drei.
    Sieben
    Null.
    Sechs.
    Acht.
    Das Sesam öffne dich!
    Ein dreifaches Beep vom Tastenfeld und dann ein Plopp.
    «Okay», sagte sie. «Es ist offen, können wir nun –»
    Wollte sie jetzt etwa wirklich mit mir schachern ?
    Ich war kurz davor, vor Wut zu explodieren. Blinde Wut, die meinen Verstand ausschaltete. Die Mauer einriss, die ich in den letzten Monaten mit so viel Mühe gegen meine Rachsucht und Depression aufgebaut hatte. Der Hass in mir war so stark, dass er Joyce’ Worte in meinem Kopf heraufbeschwor. Es war der letzte Appell meines Bewusstseins, um mich vor dem Abdrücken zu bewahren.
    Tu es nicht, der Preis ist zu hoch.
    Rache bringt deine Familie nicht wieder
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