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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer
Autoren: Kate Pepper
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Anstalt zu sehen war, einer von ihnen war unser Martin, oder besser gesagt Neil. Wie es aussah, war sie die Chefin der Truppe gewesen – Lehrerin, Regisseurin –, die den Insassen das Theater in die Anstalt gebracht hatte, als ob deren Leben nicht schon dramatisch genug verlaufen wäre. Hatte sie es so geschafft, Neil bei seinen Fluchten zu helfen? Indem sie wie ihre Mutter wichtige Kontakte knüpfte, alles unter dem Deckmäntelchen guter Taten?
    «Herzlich willkommen», sagte Christa ganz ohne Ironie. Sie wirkte wie eine Gastgeberin, deren Fest sich ganz nach Plan entwickelte. Allerdings lächelte sie nicht.
    Mir drehte sich alles. Ich holte Luft. Atmete tief ein.
    «Bitte.» Sie zeigte auf einen Kartentisch in der Mitte des Zimmers. Zwei Stühle standen sich daran gegenüber, auf dem Tisch befand sich Macs noch immer klingelndes Handy, ein fein säuberlich aufgeschichtetes Dominospiel, Alans Dienstpistole auf einem Teller, eine nicht brennende Kerze, ein Streichholzbriefchen und eine Spritze, die zur Hälfte mit einer bläulichen Flüssigkeit gefüllt war.
    Blausäure.
    Das erklärte den nussigen Mandelgeruch, den ich in der Küche wahrgenommen hatte; und es erklärte auch Lizzie Stoppards – und Alans – scheinbar gewaltlosen Tod. Tatsächlich war ein Tod durch Blausäure ausgesprochen grausam; das Gift begann schnell zu wirken und verursachte eine Lähmung des Herzmuskels. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte man nur eine halbe Stunde, um ein Gegenmittel zu spritzen, andernfalls war die Blausäure tödlich.
    Als ich mir ansah, wie Christa die Dinge auf dem Tisch arrangiert hatte, war ich mir endgültig sicher. Die fünfköpfige Familie. Umgekommen bei einem Brand. Ein verwaistes Mädchen. Und ihre Lehrerin. Bei diesem Spiel gab es keine Zufälle. Hatte Nancy Maxtor die Kinder zum Töten abgerichtet? Ein Zittern durchlief meinen Körper, als mir noch etwas klar wurde: Sie war ebenfalls hier. Vielleicht oben im Schlafzimmer, wo ich nicht nachgesehen hatte. Ein Mensch, der solche Morde plante, ließ sich das große Finale nicht entgehen.
    «Wo ist Susanna?», fragte ich und hoffte wider besseres Wissen, dass Christa wahnsinnig genug wäre, es mir zu verraten.
    «Ah, Susanna, was für ein kleiner Schatz.» Mehr sagte sie dazu nicht.
    Sie durchquerte den Raum bis zum Tisch, setzte sich und wartete darauf, dass ich es auch tat. Unter dem Licht der Lampe wirkte ihre Haut grau, und Schatten fielen ihr über die Augen. Ihre völlige Ruhe und Bewegungslosigkeit machten mir Angst, weil ich fürchtete, dass sie plötzlich und unvorhergesehen nach der Waffe oder der Spritze greifen würde. Diese Frau hatte einen genauen Plan. Und der nächste Schritt stand schon fest.
    Jede Bewegung, die ich auf sie zumachte, kostete mich unendlich viel Überwindung, weil mein Körper anders wollte als mein Kopf. Schnapp dir die Waffe, schienen meine Arme zu befehlen. Schnapp sie dir. Ziel. Schieß. Jetzt. Aber mein Verstand unterdrückte den Impuls und versuchte, sich in Christa hineinzudenken . Alles, was dort auf dem Tisch lag, barg eine verschlüsselte Botschaft. Und zwar ging es dabei um den Mord an Alan. Und jetzt sollte ich mit ihr spielen. Bei zwei Dingen war ich mir unsicher: ob es irgendeinen Unterschied machte, wenn ich mitspielte; und ob rechtzeitig Hilfe eintreffen würde, bevor ich das herausfand.
    Ich befand mich jetzt neben dem Tisch. Bemühte mich, nicht unkontrolliert zu zittern, setzte mich ihr gegenüber hin. Macs Telefon hörte auf zu klingeln, und ich sah ein wenig zu hastig hin, als ob es mir noch etwas Wichtiges verraten könnte. Doch allein schon, dass er es nicht bei sich hatte, sagte mir eigentlich alles.
    «Liebst du ihn?», fragte sie.
    Ihre Augen waren marineblau. Das war mir gestern gar nicht aufgefallen. Fast marineblau, aber einen Ton mehr ins Grüne. Sie hielt meinen Blick gefangen, während ich über meine Antwort nachdachte.
    «Ja.» Und die Wahrheit wird euch frei machen . Wenn ich allerdings in ihre Augen sah, war ich mir nicht sicher, ob das Bibelwort in diesem Fall recht hatte. Also riskierte ich etwas: «Und du?»
    Ihre Mundwinkel hoben sich, und dann lächelte sie wieder auf ihre strahlende Art. «Du meinst ja sicher nicht ihn .» Sie schaute auf Macs Handy.
    Ich schüttelte den Kopf. «Neil.»
    «Er hat für mich geschwärmt, als wir noch Kinder waren. Mir war er gar nicht aufgefallen, bis … Na ja, sagen wir einfach, er wollte beweisen, dass er genauso wie ich sein konnte. Du weißt ja, wie
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