Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
immer besser.« Ich nahm die Liste in die Hand. »Ich fange bei den Allens an, fahre am Dienstag zu den kleineren Höfen, komme am Mittwoch zur Hochzeit hierher, fahre dann wieder rauf und mache am Donnerstag und Freitag die zweite Injektion und die Kontrolluntersuchungen. Bis zum Wochenende kann ich mit der Liste durch sein.«
    Siegfried blickte mich an, als sähe er mich zum erstenmal. Er protestierte, aber diesmal setzte ich meinen Willen durch. Ich suchte mir die nötigen Papiere zusammen und traf die Vorbereitungen für unsere Hochzeitsreise.
     
    Am Dienstag um 12 Uhr mittags hatte ich die riesige, meilenweit über die kahlen Hänge des Dale verstreute Herde der Allens verarztet und setzte mich mit den gastfreien Leuten zum Essen. Mr. Allen saß am Kopfende des gescheuerten Tischs. Mir gegenüber saßen seine zwei Söhne, der zwanzigjährige Jack und der siebzehnjährige Robbie. Die beiden Jungen waren fabelhaft kräftig und robust, und ich hatte den ganzen Vormittag voller Bewunderung beobachtet, wie sie unermüdlich die ungebärdigen Tiere gejagt und eingefangen hatten.
    Mrs. Allen, eine muntere, gesprächige Frau, hatte mich bei meinen früheren Besuchen immer damit gefoppt, daß ich noch Junggeselle war. Ich wußte, sie würde heute wieder davon anfangen, aber ich wartete es in Ruhe ab: ich hatte eine schlagende Antwort parat. Sie hatte die Tür des Backofens geöffnet, und ein köstlicher Duft erfüllte die Küche. Sie stellte ein riesiges Stück Röstschinken auf den Tisch und beugte sich mit einem Lächeln zu mir herunter.
    »Nun, Mr. Herriot, ist es nicht an der Zeit, daß Sie ein nettes Mädchen finden? Sie wissen, wie besorgt ich um Sie bin, aber Sie nehmen nicht einmal Notiz davon.« Kichernd ging sie zum Herd und holte eine Schüssel Kartoffelbrei.
    Ich wartete, bis sie an den Tisch zurückgekehrt war. »Ja, wirklich, Mrs. Allen«, sagte ich. »Ich habe Ihren Rat beherzigt. Morgen heirate ich.«
    Die gute Frau, die mir gerade einen Berg Kartoffelbrei auf den Teller häufte, hielt inne, den Löffel in der Luft. »Sie heiraten morgen?« fragte sie voller Staunen.
    »So ist es. Ich dachte, Sie würden sich freuen.«
    »Aber... aber... Sie kommen doch am Donnerstag und Freitag wieder herauf?«
    »Ja, natürlich. Ich muß doch den Test zu Ende führen. Aber ich werde meine Frau mitbringen – ich freue mich schon darauf, sie Ihnen vorzustellen.«
    Schweigen. Die jungen Männer starrten mich an. Mr. Allen hörte auf, an seinem Schinken zu säbeln, und blickte stumpf zu mir herüber. Schließlich lachte seine Frau unsicher.
    »Oh, ich glaube Ihnen nicht. Sie wollen mich auf den Arm nehmen.«
    »Mrs. Allen«, sagte ich würdevoll. »Über eine so ernste Sache mache ich keine Witze. Ich wiederhole – morgen heirate ich, und am Donnerstag stelle ich Ihnen meine Frau vor.«
    Darauf verfielen alle in Schweigen. Mrs. Allen sah mich immer wieder prüfend an, und auch die beiden Jungen hätten offensichtlich gern mehr erfahren. Nur Mr. Allen, ein großer, stiller Mann, dem es sicherlich auch egal gewesen wäre, wenn ich am nächsten Morgen eine Bank ausgeraubt hätte, schaufelte unbekümmert sein Essen in sich hinein.
    Als ich aufbrach, faßte Mrs. Allen mich am Arm und fragte mich mit verstörter Miene: »Sie meinen es doch nicht im Ernst?«
    Ich stieg ins Auto und rief durchs Fenster hinaus: »Auf Wiedersehen und vielen Dank. Meine Frau und ich werden am Donnerstag gleich zu Ihnen kommen.«

Kapitel 40
     
    Ich habe nicht viele Erinnerungen an unsere Hochzeit. Es war eine kleine Feier, und mir lag nur daran, es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Aber eines ist mir sehr deutlich in Erinnerung geblieben: wie Siegfried, der in der Kirche unmittelbar hinter mir stand, während der ganzen Zeremonie in regelmäßigen Abständen »Amen« brummte – ich habe das bei keinem anderen Brautführer je erlebt.
    Ich war erleichtert, als Helen und ich endlich aufbrechen konnten. Als wir am Skeldale House vorbeifuhren, griff sie nach meiner Hand.
    »Da, sieh mal!« rief sie aufgeregt. »Sieh mal, da drüben!«
    Unter Siegfrieds Messingschild, das seit eh und je schief an den Gitterstäben hing, prangte ein funkelnagelneues Schild. Es war modern, aus Bakelit, mit schwarzem Grund und weißen Buchstaben: »J. Herriot, Tierarzt«. Und es war ganz gerade angeschraubt.
    Stolz und glücklich verließen wir Darrowby und fuhren, beide noch ganz benommen, mehrere Stunden lang durch die Landschaft, stiegen aus, wenn uns
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher