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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh
Autoren: James Herriot
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hätte sie schon lange darauf gewartet. Sie lehnte sich zurück, streckte beide Beine von sich, ließ die Arme herabbaumeln und lachte und lachte. Als sie schließlich wieder zu Atem kam, richtete sie sich auf und wandte sich mir zu.
    Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Hören Sie«, sagte sie mit leiser Stimme. »Warum machen wir das nächste Mal nicht einfach einen Spaziergang?«

Kapitel 37
     
    Nach unserem gemeinsamen Kinobesuch ergab es sich ganz von selbst, daß ich hin und wieder abends bei Helen hereinschaute. Und ohne daß ich es merkte, war plötzlich eine feste Gewohnheit daraus geworden. Abends gegen acht trieb es mich unweigerlich in Richtung Heston Grange. Natürlich kämpfte ich gegen diesen Impuls an – ich fuhr nicht jeden Abend hin. Zum einen hielt mich die Arbeit oft rund um die Uhr in Trab, und zum andern scheute ich die Begegnung mit Mr. Alderson.
    Helens Vater war ein schwer durchschaubarer Mann. Seit dem Tode seiner Frau lebte er völlig zurückgezogen. Er war ein erfahrener Viehzüchter, und sein Hof konnte mit den besten Höfen weit und breit konkurrieren. Aber er war mit seinen Gedanken oft abwesend und hatte mancherlei kleine Eigenheiten. Er führte lange Selbstgespräche, und wenn er sich über irgend etwas besonders freute, summte er laut vor sich hin.
    Anfangs hatte er mich kaum zur Kenntnis genommen, doch als meine Besuche häufiger wurden, beobachtete er mich mit einem gewissen Interesse und schließlich voller Beunruhigung. Er hing an Helen, und natürlich wünschte er ihr einen großartigen Lebensgefährten. Und es war auch einer in Sicht – der junge Richard Emundson, dessen Vater ein alter Freund der Aldersons war und einen großen Hof besaß. Verglichen mit ihm war ich, ein unbekannter mittelloser junger Tierarzt, eine armselige, schlechte Partie. So kam es, daß wir uns bei meinen Besuchen immer nur von der Seite her musterten. Und das war schade, denn irgendwie mochte ich ihn, und unter anderen Voraussetzungen wären wir sicher gut miteinander ausgekommen. Aber er hatte sich nun einmal darauf eingestellt, daß seine Tochter eines Tages den Sohn seines reichen Freundes heiraten und ein sorgloses Leben führen würde und setzte sich hartnäckig gegen alles zur Wehr, was diesen Plan vereiteln mochte.
    Ich war darum immer erleichtert, wenn ich mit Helen wieder aus dem Hause war. Dann war alles in Ordnung. Wir fuhren zu den kleinen Tanzfesten in den umliegenden Dörfern oder machten stundenlange Spaziergänge auf den alten, grasbewachsenen Zechenwegen zwischen den Hügeln, und manchmal begleitete Helen mich auch einfach bei meinen abendlichen Krankenbesuchen. Wir waren einander genug.
    Und es wäre wahrscheinlich immer so weitergegangen, hätte Siegfried mich nicht eines Tages zur Rede gestellt. Wir saßen wie so oft abends, bevor wir ins Bett gingen, im großen Zimmer und sprachen über die Ereignisse des Tages. Plötzlich lachte er laut auf und schlug sich auf die Knie.
    »Der alte Harry Forster war vorhin hier und hat seine Rechnung bezahlt. Zu komisch – er saß da, sah sich im Zimmer um und sagte: ›Ein hübsches kleines Nest haben Sie hier, Mr. Farnon.‹ Und dann fügte er listig hinzu: ›Zeit, daß ein Vogel in dieses Nest kommt.‹«
    Ich lachte. »Na, Sie sind ja solche Sprüche gewöhnt. Die Leute werden sich erst zufriedengeben, wenn Sie verheiratet sind.«
    »Moment, nicht so schnell.« Er sah mich nachdenklich an. »Ich glaube nicht, daß Harry von mir sprach. Er meinte Sie.«
    »Wieso?«
    »Ja, überlegen Sie mal. Sie sind ihm doch einmal begegnet, als Sie mit Helen auf seinen Feldern spazierengingen, nicht wahr? Da wird ihm die Erleuchtung gekommen sein. Er meint, Sie sollten allmählich heiraten – ganz klar.«
    Ich lehnte mich im Sessel zurück und lachte. »Ich und heiraten! Können Sie sich das vorstellen?«
    Siegfried beugte sich vor. »Was lachen Sie da, James? Der Mann hat recht – es ist Zeit, daß Sie heiraten.«
    »Was soll das?« Ich sah ihn fassungslos an. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Sehr einfach. Ich sage, Sie sollten heiraten, und zwar bald.«
    »Siegfried, Sie scherzen! Ich stehe am Anfang meiner Karriere. Ich habe kein Geld. Nichts. Ich habe nie auch nur daran gedacht.«
    »Nein? Gut, dann sagen Sie mir eines, machen Sie Helen Alderson den Hof oder nicht?«
    »Nun, also... Wirklich, ich... Gut, ich glaube, man könnte es so nennen.«
    Siegfried legte die Fingerspitzen aneinander und sah jetzt aus wie ein Richter. »Gut, gut. Sie geben
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