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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh
Autoren: James Herriot
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sich mit dem Plaza begnügen, gehen Sie tatsächlich kein Risiko ein.«
     
    Als ich etwas später in der Badewanne lag, mußte ich mir eingestehen, daß Tristan recht hatte. Es war so etwas wie Feigheit, mit Helen ins Kino zu gehen, eine Flucht in eine, wie ich hoffte, sichere, dunkle Intimität. Doch ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß es zumindest ein neuer Anfang war.
    Und als ich die Haustür hinter mir schloß und die Straße entlangblickte, wo jetzt gerade die ersten Lampen in der Abenddämmerung aufleuchteten, fühlte ich, wie mein Herz höher schlug. Es war, als hätte mich ein von den nahen Hügeln herüberwehender Hauch gestreift, ein zarter Duft, der das Ende des Winters verkündete. Zwar war es noch kalt – in Darrowby war es gewöhnlich kalt bis in den Mai hinein –, doch die Verheißung war da, die Aussicht auf Sonne, auf warme Wiesen und milde Tage.
    Der Eingang zum Plaza befand sich, unauffällig und halb verborgen, zwischen der Eisenwarenhandlung Pickergill und der Drogerie Howarth; er war nicht viel breiter als eine normale Ladenfront. Doch verwundert war ich, als ich feststellte, daß das ganze Haus noch im Dunkeln lag. Ich war zwar sehr zeitig gekommen, aber immerhin sollte die Vorstellung in zehn Minuten beginnen, und noch deutete nichts darauf hin.
    Ich hatte Tristan nicht zu sagen gewagt, daß ich mich aus lauter Vorsicht mit Helen vor dem Kino verabredet hatte. Bei meinem Auto konnte man nie wissen, ob man rechtzeitig oder überhaupt irgendwo ankam, und ich hatte es für ratsam gehalten, jedes Risiko zu vermeiden.
    »Wir treffen uns draußen vor dem Kino.« Mein Gott, großartig war das gerade nicht!
    Aber alle trüben Gedanken waren verscheucht, als ich Helen über den Marktplatz kommen sah. Sie lächelte und winkte mir fröhlich zu, als sei ein Kinobesuch im Plaza das herrlichste Vergnügen, zu dem man ein Mädchen einladen konnte. Ihre Wangen waren leicht gerötet, und ihre Augen strahlten.
    Alles war plötzlich schön. Ich wußte, es würde ein wunderbarer Abend werden – nichts konnte ihn verderben. Nachdem wir einander begrüßt hatten, erzählte mir Helen, daß Dan wieder umherspringe wie ein junger Hund. Diese gute Nachricht erhöhte noch mein Wohlbefinden. Das einzige, was mir Sorge machte, war der dunkle Kinoeingang.
    »Komisch«, sagte ich. »Die Vorstellung müßte gleich anfangen. Es ist doch hoffentlich nicht geschlossen!«
    »Nein«, sagte Helen. »Außer sonntags ist es immer geöffnet. Und die Leute da drüben wollen doch sicher auch ins Kino.«
    Ich drehte mich um. Zwar stand keine Schlange vor dem Kino, aber es hatten sich inzwischen ein paar Leute versammelt – meist Paare mittleren Alters –, und auf der Straße balgte sich eine Horde kleiner Jungen. Niemand schien beunruhigt.
    Genau zwei Minuten ehe die Vorstellung beginnen sollte, kam ein Mann im Regenmantel auf dem Fahrrad um die Ecke gebraust, trat vor dem Eingang auf die Bremse, steckte einen Schlüssel ins Schlüsselloch und öffnete die Tür. Dann betätigte er drinnen einen Schalter, und eine einsame Neonröhre flackerte über uns auf, erlosch wieder, flackerte abermals und drohte endgültig zu erlöschen. Der Mann stellte sich auf die Zehenspitzen und brachte das Ding mit einem kräftigen Faustschlag zur Räson. Dann streifte er seinen Regenmantel ab und stand in einem tadellosen Abendanzug da. Es war der Kinodirektor.
    Inzwischen hatte sich eine beleibte Dame eingefunden und sich in die Kassenbox gezwängt. Wir stellten uns an und lösten unsere Eintrittskarten.
    Die kleinen Jungen, die sich auch jetzt noch knufften, gingen durch einen Vorhang ins Parkett. Alle übrigen Besucher stiegen die Treppe hinauf zum Balkon. Der Direktor lächelte und verbeugte sich höflich, als wir an ihm vorbeigingen.
    Oben stand zu meiner Überraschung Maggie Robinson, die Tochter des Schmieds, und nahm die Eintrittskarten entgegen. Sie staunte uns mit großen Augen an. Kichernd und mit einem einfältigen Grinsen schob sie endlich die Vorhänge beiseite und dirigierte uns zu den Plätzen. Als ich mich hinsetzte, bemerkte ich, daß zwischen den beiden Sitzen keine Armlehne war.
    »Das sind die Plätze für Liebespärchen«, platzte sie heraus und eilte davon, die Hand vor dem Mund.
    Ich sah mich um. Auf dem Balkon saßen etwa zwei Dutzend Leute. In geduldigem Schweigen blickten sie auf die kahlen, mit Leimfarbe gestrichenen Wände. Die Uhr vorn neben dem Vorhang war stehengeblieben und zeigte zwanzig nach vier.
    Aber es war
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