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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh
Autoren: James Herriot
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dreieinhalb Shilling zu zahlen haben, wie es bei dem Alten üblich war, und das ist ein hartes Stück Arbeit. Die Leute aus den Dales sind großartige Menschen, und Sie werden sie bestimmt auch mögen, aber sie trennen sich nur von ihren Moneten, wenn man ihnen beweist, daß sie etwas Gleichwertiges dafür kriegen.«
    Er erzählte begeistert von seinen Zukunftsplänen, und das Bier floß in Strömen. Nun fanden sich nach und nach auch die Stammgäste aus dem Dorf ein, es wurde immer lauter und wärmer, und kurz bevor das Lokal schloß, war ich von meinem Kollegen getrennt und saß inmitten einer Gruppe lachender Leute, die ich seit Jahren zu kennen schien.
    Farnon winkte mir von der Tür her zu. Es war Zeit zum Aufbruch. Wir trieben im Strom unserer neuen Freunde nach draußen, bildeten in der stillen Dorfstraße eine kleine Insel aus Lärm und Licht. Ein strohblonder junger Bursche in Hemdsärmeln öffnete mir höflich die Wagentür, und ich ließ mich mit einem letzten Gute-Nacht-Winken auf den Sitz fallen. Diesmal kippte das Ding noch schneller hintenüber als sonst, ich sauste rückwärts und blieb hilflos liegen, den Kopf zwischen ein paar Wellingtons, die Knie gegen die Brust gedrückt.
    Überraschte Gesichter betrachteten mich durch das Rückfenster, aber bald griffen viele willige Hände zu, richteten mich auf und stellten den Tricksitz wieder auf seine Kufen. Ich fragte mich, wie lange das wohl schon so ging und ob mein Chef jemals daran gedacht hatte, daß man das Ding reparieren lassen könnte.
    Wir ratterten in die Dunkelheit hinein, und ich sah mich noch einmal nach der winkenden Gruppe um.

Kapitel 4
     
    Ich war jetzt seit vierundzwanzig Stunden in Darrowby und hatte noch keinen Besuch allein gemacht. Ein weiterer Tag war damit vergangen, daß ich Farnon zu seinen Patienten begleitet hatte. Für einen Mann, der so unachtsam und vergeßlich zu sein schien, war Farnon enttäuschend vorsichtig beim Start seines neuen Assistenten.
    An diesem zweiten Tag waren wir in Lidderdale gewesen, und ich hatte weitere Kunden kennengelernt – freundliche, höfliche Bauern, die mich liebenswürdig empfingen und mir viel Erfolg wünschten. Aber unter Farnons Aufsicht zu arbeiten, das war, als sei ich wieder auf dem College, wo der Professor jeden Handgriff beobachtete. Ich hatte das Gefühl, meine berufliche Karriere werde erst dann beginnen, wenn ich ohne Unterstützung und unbeobachtet ein krankes Tier behandelte.
    Der Zeitpunkt konnte allerdings nicht mehr fern sein. Farnon war nach Brawton gefahren, um seine Mutter ein zweites Mal zu besuchen. Ein liebevoller Sohn, dachte ich erstaunt. Und er hatte gesagt, er werde erst spät zurück sein, also schien die alte Dame einen ungewöhnlichen Tagesrhythmus zu haben. Na, wenn schon – wichtig war ja nur, daß ich allein die Verantwortung hatte.
    Ich saß in einem Lehnstuhl, sah aus dem französischen Fenster auf die Schatten, die die Abendsonne auf den struppigen Rasen warf, und überlegte, was wohl mein erster Anruf sein würde. Vermutlich eine Enttäuschung nach all den Jahren des Wartens. So etwas wie ein hustendes Kalb oder ein Schwein, das an Verstopfung litt. Und vielleicht wäre das gar nicht mal so schlecht – mit irgendwas anzufangen, was ich leicht in Ordnung bringen konnte. Ich döste behaglich vor mich hin, als draußen im Gang das Telefon schrillte.
    »Sind Sie Mr. Farnon?« fragte eine Männerstimme.
    »Nein, tut mir leid, er ist unterwegs. Ich bin sein Assistent.«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Erst spät, fürchte ich. Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich weiß nicht, ob Sie etwas für mich tun können.« Die Stimme klang jetzt recht arrogant. »Ich bin Mr. Soames, Lord Hultons Gutsverwalter. Hier ist ein wertvolles Jagdpferd an Kolik erkrankt. Verstehen Sie etwas von Koliken?«
    Diese Frage ging mir gegen den Strich. »Ich bin Tierarzt, also werde ich wohl etwas davon verstehen.«
    Es folgte eine lange Pause, dann bellte die Stimme von neuem: »Gut, ich will’s mit Ihnen probieren. Zum Glück weiß ich, welche Injektion das Pferd braucht. Bringen Sie Arekolin mit. Und lassen Sie mich um Himmels willen nicht die ganze Nacht warten. Wann kommen Sie?«
    »Ich fahre sofort los.«
    »Gut.«
    Damit knallte er den Hörer auf die Gabel. Ich fühlte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. Mein erster Fall würde also keine Belanglosigkeit sein. Koliken waren verzwickte Sachen, und ich hatte einen aggressiven Besserwisser namens Soames auf dem Hals. Während
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