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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh
Autoren: James Herriot
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beseitigen. Obwohl die Kuh durch unsere Vorsichtsmaßnahmen behindert wurde, verpaßte sie mir noch mehrere kräftige Stöße gegen Arme und Beine.
    Als ich fertig war, packte der Bauer die Zitze, und ein langer, weißer Strahl schoß auf den Boden.
    »Großartig«, sagte er, »jetzt läuft sie wieder auf vier Zylindern.«

Kapitel 3
     
    »Wir fahren einen anderen Weg zurück.« Farnon beugte sich über das Lenkrad und wischte die zerschrammte Windschutzscheibe mit dem Ärmel ab. »Über den Brenkstonepaß und nach Sildale hinunter. Es ist nicht sehr viel weiter, und ich möchte, daß Sie die Gegend sehen.«
    Wir fuhren eine steile, gewundene Straße hinauf, höher und immer höher. Der Berghang fiel senkrecht zu einer dunklen Schlucht ab, wo ein Gebirgsbach schäumend ins Tal floß. Auf der Paßhöhe stiegen wir aus. In dem Sommerdunst bot sich uns ein wildes Panorama von kahlen Höhen und Gipfeln, das sich im Westen in den blutroten und goldenen Streifen des Himmels verlor. Im Osten ragte ein schwarzer Berg über uns auf, drohend in seiner nackten Masse. Riesige Felsquader bedeckten die tiefer gelegenen Hänge. Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Was für ein Unterschied zu dem freundlichen Hügelland, das ich gesehen hatte, als ich mich Darrowby näherte.
    Farnon wandte sich mir zu. »Ja, dies ist eine der wildesten Gegenden in England. Fürchterlich im Winter. Der Paß ist oft wochenlang blockiert.«
    Ich sog die reine Luft tief in meine Lungen. Nichts regte sich im weiten Umkreis, nur ein Brachvogel rief leise, und ich hörte das ferne Tosen des Gießbachs. Es war dunkel, als wir in den Wagen stiegen und zur langen Abfahrt nach Sildale starteten. Das Tal war ein dunkler, formloser Fleck, aber vereinzelte Lichtpunkte ließen erkennen, wo einsame Gehöfte an den Berghängen klebten. Wir kamen in ein stilles Dorf, und Farnon trat kräftig auf die Bremse. Mein beweglicher Sitz rutschte nach vorn, und mein Kopf schlug dröhnend gegen die Windschutzscheibe, aber Farnon schien es nicht zu bemerken. »Hier ist ein großartiges Wirtshaus. Kommen Sie, wir trinken ein Bier.«
    Ein Wirtshaus wie dieses hatte ich noch nie gesehen. Es bestand einfach aus einer großen viereckigen Küche mit Fliesenboden. Ein riesiger Kamin und ein alter schwarzer Kochherd nahmen das eine Ende des Raumes ein. Auf dem Herd stand ein Kessel; ein einziger großer Holzklotz zischte und knisterte und verbreitete einen harzigen Geruch.
    Etwa ein Dutzend Männer saßen auf den Wandbänken mit hohen Rückenlehnen. Als wir hereinkamen, empfing uns Schweigen. Dann sagte jemand: »Na, Mr. Farnon«, und dieser Gruß löste freundliches Brummen und Nicken bei den Umsitzenden aus. Sie waren größtenteils Bauern oder Landarbeiter, die stillvergnügt ihren Feierabend genossen. Alle waren sonnenverbrannt, und einige der Jüngeren trugen keinen Schlips, so daß man unter dem offenen Hemd die nackte, muskulöse Brust sah.
    Farnon führte mich zu einem der alten Eichentische, bestellte zwei Bier und sah mich an. »Sie können die Stellung haben, wenn Sie wollen. Vier Pfund die Woche, dazu Kost und Logis. Einverstanden?«
    Mir verschlug es die Sprache. Ich hatte den Posten bekommen! Und für vier Pfund die Woche! Ich erinnerte mich an die erschütternden Stellengesuche im Record. »Tierarzt mit Berufserfahrung arbeitet gegen Verpflegung und Unterkunft.« Das B.V.M.A. hatte Druck auf den Verleger ausüben müssen, damit diese S.O.S.-Rufe nicht mehr veröffentlicht wurden.
    »Ja, danke«, sagte ich und versuchte, gleichmütig zu erscheinen.
    »Gut.« Farnon nahm einen hastigen Schluck Bier. »Ich will Ihnen von meiner Praxis erzählen. Ich kaufte sie vor einem Jahr von einem achtzigjährigen Mann. Er praktizierte noch trotz seines Alters, war ein richtig zäher Bursche. Aber er hatte keine Lust mehr, mitten in der Nacht aufzustehen, was verständlich ist. Und in vieler Hinsicht hatte er natürlich die Dinge laufen lassen – hing noch an all diesen alten Ideen. Einige der uralten Instrumente im Operationszimmer gehörten ihm. Na, jedenfalls tat sich kaum noch was in der Praxis, und ich versuche sie jetzt wieder hochzubringen. Zur Zeit ist’s mit den Einnahmen nicht weit her, aber wenn wir ein paar Jahre durchhalten, wird sich das bestimmt ändern. Die Bauern freuen sich, daß ein jüngerer Mann die Praxis übernommen hat, und sie begrüßen die neuen Behandlungs- und Operationsmethoden. Aber ich muß ihnen abgewöhnen, daß sie für einen Besuch prinzipiell nur
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