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Der dicke Löwe kommt zuletzt

Der dicke Löwe kommt zuletzt

Titel: Der dicke Löwe kommt zuletzt
Autoren: Max Kruse
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Karawane bewegte sich langsam. Alle Blicke waren auf das Brautpaar gerichtet.

    Im Marmorhof der weißen Villa »Heiterer Blick« sollte die Trauung nach altem Brauch vollzogen werden, indem Miriams Vater, der Emir von Emirstan, ihre und des Sultans Hände ineinanderlegte.
    Die Brautleute betraten die Stufen eines zierlichen Tempels.
    Die Freunde gruppierten sich im Halbkreis.
    Die Musik schwieg — der feierliche Augenblick war gekommen.
    Da sagte der Sultan: »Aber wo ist denn Löwe? Er wollte doch rechtzeitig hier sein, sagtest du mir, o Kamel?«
    »Der dicke Löwe kommt zuletzt!« brummte das weise Trampeltier. »Das sieht ihm doch ähnlich! Er verspätet sich — mitsamt diesen Leuten, die ihre Beine auf dem Kopf tragen!«
    »Es müssen wichtige Gründe sein, die ihn abhalten!« sagte Pips kleinlaut. Daß Löwe gerade jetzt zu spät kam, war ihr sehr peinlich.
    »Ich wüßte wirklich keinen Grund, der das entschuldigen könnte!« knurrte Wu.
    »Wir warten auf ihn!« entschied Miriam. »Löwe ist ja unser Trauzeuge!« Und für diese verständnisvollen Worte war ihr der Sultan von Herzen dankbar.

Aufregungen

    Das war ein Morgen gewesen!
    Zunächst war der Leuchtturmwärter zu spät gekommen, der Onkel Guckaus vertreten sollte. Der Herr Kollege war zu spät aufgestanden.
    Dann hatte Onkel Guckaus sein weißes Hemd nicht gefunden — er hatte es ja schon seit Jahren nicht mehr gebraucht! Es lag in der hintersten Ecke des Kleiderschrankes, völlig zerknüllt, und hätte dringend gebügelt werden müssen. Aber wer sollte das tun? Es war ja nicht einmal ein Bügeleisen da! »Typisch Junggesellenwirtschaft«, schimpfte Zie.
    Vater Schluckauf schnitt sich beim Rasieren vor lauter Hetzerei — verflixt und zugenäht! Huck! Nun trug er ein großes Pflaster auf der Wange, was nicht gerade festlich aussah.
    Kater Schipp putzte und leckte sich seit der Morgendämmerung — von den Vorderpfoten bis zum Schwanz und vom Schwanz bis zu den Vorderpfoten. Und den Schnurrbart besonders gründlich, so gut er ihn eben mit der Zungenspitze erreichen konnte. Sein Fell glänzte, als ob er versehentlich unter die Bürste eines Schuhputzers geraten wäre.
    Löwe jagte von Vater Schluckaufs Kate zum Leuchtturm, die Wendeltreppe hinauf — und wieder hinab und zurück zu Vater Schluckaufs strohgedecktem Häuschen! »Wie weit seid ihr? Noch immer nicht fertig? Wir müssen pünktlich sein!«
    Im Stall durfte er sich gleich gar nicht blicken lassen. Hier führte Zie ein energisches Regiment. Wenn er nur den Kopf durch die Tür steckte, scheuchten ihn die Frauen hinaus.
    »Mähähähä!« meckerte Zie. »Ich bin die Ruhe in Person! Aber wo bleibt nur Vater Schluckauf? Er hat doch versprochen, mir die Hörner zu polieren! Und rote Bänder wollte er darum winden! Wie sehe ich denn aus — scheußlich! — Löwappel, hör auf, mich an den Beinen zu zupfen! — Löwine, ich finde, Löwoppel müßte besser gekämmt werden, der Wirbel auf seiner Stirn steht immer noch hoch! — Ach, schau doch mal, ob mein Bart auch nicht verfilzt ist...«
    »Du hast einen Strohhalm dazwischen!« brummte Löwine. Sie war vollauf damit beschäftigt, Löwuppel die Ohren zu säubern. Und wenn dann auch noch Löwe seinen Kopf zur Tür hereinstreckte, machte er sie natürlich nervös.
    »Oder ihr mich!« knurrte er und trollte sich davon.
    So kam es, daß sie mit einer hübschen Verspätung in den beiden kleinen Schiffen abfuhren. Das Motorboot von Onkel Guckaus hatte das Segelboot von Onkel Schluckauf im Schlepp.
    Möwe umkreiste die ungeduldigen Hochzeitsgäste auf ihrer großen Fahrt.
    Löwe saß ganz vorn im Bug und hielt Ausschau nach der Glücklichen Insel.
    »Du hast gar keine Augen mehr für mich!« klagte Löwine, halb im Ernst, halb im Spaß. Dabei war die Löwenmutter mit ihren drei Babys ein so reizender Anblick.
    »Ich will pünktlich sein! Gib doch ein bißchen mehr Gas, Onkel Guckaus!«
    »Mehr schafft der alte Schepperkasten nicht!«

Der dicke Löwe kommt zuletzt

    Im Hof des Schlößchens »Heiterer Blick« stellte sich eine verlegene Unruhe ein.
    »Musik!« befahl der Sultan. Der Emir ließ seine Gaukler tanzen. Wein und Früchte wurden gereicht.
    »Also, wann wird nun geheiratet?« fragte das Kamel. »Wenn nicht bald, möchte ich die Sänfte und den Schmuck ablegen. Sicher sehe ich herrlich aus, aber diese Schönheit ist unbequem.«
    Seltsamerweise hielt niemand nach denen Ausschau, auf die so ungeduldig gewartet wurde. Der Sultan sah Miriam in die
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