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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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empfinden muß. Und er mußte, ob er es wollte oder nicht, natürlich auch an eine ausgekokste Straßennutte von Normandie und Santa Monica denken, die Monate später eine Story über ein Ereignis gelesen hatte, das alle Welt außer den Schweden fast schon wieder vergessen hatte.
    Er hatte seit fünfunddreißig Stunden nicht geschlafen. Er las, bis ihm die Buchstaben vor den Augen verschwammen und er einfach nicht mehr weiterlesen konnte. Er bedankte sich sehr höflich bei dem Studenten und ging zu seinem Wagen und fuhr über den Pasadena Freeway nach Hause. Er gab sich alle Mühe, nicht darüber nachzudenken, wie trübselig und düster seine Arbeit und sein Leben bisher gewesen waren, wenn man es im Lichte der Delta-Delta-Stern-Formel betrachtete.

 

    14. KAPITEL
    Der Rausgeschossene Sittencop
    Mario Villalobos schaffte es immerhin, drei Stunden zu schlafen. Er wachte mit heftigen Schmerzen auf. Er hatte im Schlaf mit den Zähnen geknirscht und sich dabei innen in die Backe gebissen. Seine Hände zitterten, und er war innerhalb von Sekunden wach. Als er sich aufsetzte, tat ihm der Kopf weh. Er ging zum Fenster seines Apartments und sah hinaus auf die vom Smog wie von einem Leichentuch eingehüllten Straßen der Gegend um den Los Feliz. Es begann zu dämmern, und die Sonne stand wie glühendes Kupfer an einem malvenfarbenen und gewitterträchtigen Himmel.
    Er besah sich im Spiegel seine verschwollenen Augen. Die Augen wirkten tot und wie ausgelaufen. Das schimmernde Veilchen um sein Auge hatte die gleiche Farbe wie der vom Smog überlagerte Abendhimmel von Los Angeles. Er ging in der Unterhose in die Küche und nahm eins der TV-Fertigmenüs aus dem Kühlschrank, die er immer gleich für die ganze Woche einkaufte. Er rauchte eine Zigarette, starrte einen Moment auf die Stanniolpackung und stellte sie wieder zurück. Statt dessen goß er sich ein sehr großes Glas Orangensaft ein und schlug drei Eier hinein.
    Er trank das Gebräu aus, rauchte dabei, hörte sich auf seinem Lieblingssender »Stella by Starlight« an und erlebte einen, wie er glaubte, aus dem Unbewußten kommenden winzigen kreativen Augenblick. Er wurde schwindlig oder, genauer gesagt, etwas wirr im Kopf mit gelegentlichen Schwindelzuständen. Er fühlte sich nacheinander so, als ob er im nächsten Moment einen Herzanfall kriegen oder ohnmächtig werden würde oder kotzen müßte. Er war derartig geschwächt, daß ihm tatsächlich fast die Beine einknickten, als er in der Küche herumlief. Er wußte, daß er bei all seiner Übermüdung nur durchschlafen konnte, wenn er sich vorher mit Alkohol betäubte. Er spürte förmlich, daß sein Gehirn auf vollen Touren gelaufen war, während er geschlafen hatte, und daß er ihm deshalb eine kleine Pause gönnen mußte.
    »Ich kann nicht mehr!« schrie er laut.
    Mario Villalobos war sich klar darüber, daß er sein sowieso schon angeknackstes Nervenkostüm vollends ruinieren würde, wenn er so weitermachte. Dieser Delta-Delta-Stern-Zustand konnte dem bißchen, was von seiner Gesundheit noch übrig war, vollends den Rest geben.
    Mario Villalobos kam schließlich zu der Erkenntnis, daß er auch beim besten Willen nicht mehr über sich hinauswachsen konnte. Der Versuch, den Anregungszustand eines Elektrons zu imitieren, das verrückt spielt, konnte gar nicht klappen. Nicht bei seinem kaputten Verstand. Das würde immer so sein, wie es immer gewesen war. Er duschte, rasierte sich, warf sich in die nächstbesten Klamotten und ging ins Haus des Jammers, um sich zu besaufen.
    Trotz des Samstagabends waren sie alle an Deck. Sogar Runzel-Ronald war wieder da, und wegen seiner gebrochenen Rippen wurde ihm jede Menge Aufmerksamkeit und Sympathie zuteil, was er natürlich unheimlich genoß. Der Schreckliche Tscheche und Hans hatten über ihre Caltech-Erlebnisse schon alles haarklein berichtet, und Mario Villalobos konnte sich deshalb lange Erklärungen sparen, warum er schlimmer aussah als Gerry Cooney, nachdem er von Larry Holmes dreizehn Runden lang verprügelt worden war.
    Ludwig saß neben Hans auf ihrer beider Stammplatz am Ende der Bar und guckte ziemlich scheel, weil er schlafen wollte und weil Stanley und Leech, die Übereifrigen, auf seinem Bett eine Partie Billard spielten.
    Ein Groupie mit einem Gesicht wie Grießpudding hing Hans förmlich über der Schulter, und der sah nicht gerade allzu fröhlich aus, seit er von dem Superchemiker im Caltech nichts gekriegt hatte außer dem guten Rat, sich Schellack
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