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Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod
Autoren: Torsten Sträter
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oben:
    Â»WER KLINGELT HIER DAUERND, VERDAMMTE SCHEISSE?«
    Uwe blähte die Backen auf, streckte den Rücken durch und schrie ohrenbetäubend:
    Â»KOMMT DER ZANDER RAUS?«
    Das war vielleicht ein bisschen leger formuliert, dachte ich.
    Drei Sekunden Stille.
    Dann hörten wir: »UND OB!«
    Den schweren Schritten nach, die da aus dem vierten Stock zu uns runterpolterten, fühlte sich Achims Vater angesprochen. Das war irgendwie nett, wenn man bedachte, dass er Nachtschicht gehabt hatte.
    Uwe wurde ziemlich fahl. Aber Rückzug war keine Option.
    Andy murmelte absolut entspannt, fast meditativ: »Ich glaub, ich piss mir in die Hose.«
    Dann war Rübezahl unten angekommen. Er ergriff Uwe am T-Shirt: »WISST IHR KLEINEN ÄRSCHE, WAS NACHTSCHICHT BEDEUTET? WISST IHR, WAS DAS HEISST? SCHLAF?«
    Uwe sagte: »Kommt der Achim raus?«
    Â»GLEICH HAT DER ARSCH KIRMES!«
    Â»Der Achim«, hakte Uwe nach, »kommt der raus?«
    Eine Stimme von oben: »DER HAT NEUN SEITEN PHYSIK, ACHT BLÖCKE BRUCHRECHNEN UND ’N AUFSATZ AUF!«
    Â»Echt?«
    Â»Jou!«
    Â»Kann der sich bei dem Gebrülle überhaupt konzentrieren?«
    Â»JETZT KLATSCH ICH DIR ’N PAAR!«, dröhnte Achims Vater.
    Uwe erwiderte: »Dafür zahlst du einen hohen Preis, Narr.«
    Superman, dachte ich, als Uwe zu fliegen anfing, dann Spiderman, als er gegen die Postkästen klatschte, aber er blieb nicht kleben, also passte das auch nicht.
    Doch Uwe sollte Recht behalten. Ein Nachbar rief die Polizei, eine Anzeige wurde gefertigt, eine Einigung erzielt und der Narr zahlte einen hohen Preis, zumindest genug für eine Wandergitarre.
    Die konnte zwar keiner spielen, und aus der Band wurde nichts, weil wir kompositorisch nicht die angestrebte Symbiose aus ABBA und KISS hinkriegten oder, präzise gesagt, überhaupt irgendwas, und auch Andys Vorschlag, so oft zu klingeln, bis wir ein Saxofon zusammenhatten, wurde abgelehnt, aber unterm Strich war’s keine üble Ausbeute, da hatten wir alle was davon: Achim neun Seiten Physik, Uwe ’n Bruch und ich ’n Aufsatz.

Mein erstes Mal
    Ich bin ja der Letzte, der nicht gern berichten würde, dass sein erstes Mal so malerisch war wie in Peter Maffays Lied Und es war Sommer .
    Ich war elf und sie war 86
    und von der Liebe wusste ich nicht viel,
    sie wusste alles und sie ließ mich spüren,
    ich war kein Kind mehr.
    Das kann man gut singen, aber im Ruhrgebiet formuliert man das stark verknappt: Auf einem alten Fahrrad lernt man radeln.
    Na schön, das klingt jetzt vielleicht alles ein bisschen unappetitlich, ist aber immer noch besser, als es damals wirklich war.
    Nämlich so:
    Mitte der Achtziger. Eine üble Dekade. Ruhrgebietstypisch verkürzt: schön bunt. Aber ohne das schön.
    Ich ging mit Ute.
    Wurde mir gesagt. Man erfuhr so was ja nie direkt. Mit jemandem zu gehen hatte damals die Komplexität der Übernahme einer Bananenrepublik durch separatistische Kontramilizen. Irgendwas änderte sich, aber man kam nicht sofort drauf, was eigentlich.
    Es war kompliziert.
    Experimentierfreude war Utes Credo und meins auch; allerdings bezog sich das bei mir eher darauf, wie weit man ein Moped frisieren konnte, ohne dass dem gemeinen Bürger der Kitt aus der Brille fiel, denn schneller hieß bei Mopeds lauter, und wenn man mit einem auf 25 km/h zugelassenen Moped knapp 80 fahren wollte, krepierten alle Dackel entlang der Straße, wenn man vorbeiraste. Ein gespenstischer Anblick, diese Horden toter, wurstförmiger Hunde auf dem Trottoir, aber bei dem Tempo bekam man ja nicht viel davon mit, gottlob.
    Ich schweife ab. Sie galt also als experimentierfreudig. Die vulgären Vertreter unter meinen Freunden sagten »Ute, voll die Stute«, die kultivierteren »Ute ist ’ne Gute«, und ich nickte immer fachmännisch und wusste nicht, was geht.
    Wir waren so fünf Wochen zusammen, Ute und ich, und alle Parameter stimmten: In den Achtzigern lief es immer wie folgt: Hallo, Hallo, Minigolf, Baggersee, Kino, Zungenkuss, Baggersee, Brust, Kino, Brust, sechs Stunden am Autoscooter stehen, Schluss machen, Briefchen schreiben, wieder miteinander gehen, langer Zungenkuss, eingerissene Mundwinkel, Fahrradtour, Petting, Petting, Autoscooter, Jugendzimmer, Teelichter, Dreams are my Reality, Brust, Brust, Penis, Showtime.
    Könnte man gut zu Billy Joels We didn’t start the Fire singen.
    Und dann: das erste
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