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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
Autoren: Bastian Sick
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»Milch Kaffee«. Dabei wird
    auf einem kleinen Zettel im Schaufenster sogar noch eine
    »Tassekaffee« angeboten.
    Ganz offensichtlich hat der Besitzer des Ladens ein Problem
    mit der Zusammen- und Getrenntschreibung. Und er ist bei
    weitem nicht der Einzige. Unsere Städte sind gepflastert mit
    zerrissenen Begriffen wie »Auto Wäsche«, »Kosmetik
    Studio«und»Kunden Parkplatz «. Ganz zu schweigen von
    den neuerdings überall zu findenden »Back Shops«, die aus-
    ländischen Touristen immer wieder Rätsel aufgeben: Was
    soll das sein − ein rückwärtiges Geschäft, ein Hinterladen?
    Ursprung dieses Auseinanderschreibungswahns ist die
    englische Sprache. Für Briten und US-Amerikaner ist es

    selbstverständlich, dass »Service center«, »car wash« und
    »book store« jeweils in zwei Wörtern geschrieben werden. In
    Deutschland, Österreich und der Schweiz (und natürlich
    auch in Liechtenstein, immer vergesse ich Liechtenstein!)
    gelten andere Regeln als die englischen. Thank God! Doch
    die Sehnsucht nach internationalem Flair scheint über-
    mächtig. So sägten in den letzten Jahren immer mehr Ge-
    werbetreibende frei nach Wilhelm Busch gar nicht träge mit
    der Säge − Ritzeratze! − voller Tücke in die Wörter eine
    Lücke. Dass unsere Sprache vom Verfall bedroht sei, ist eine
    bekannte Behauptung. Inzwischen scheint sie außerdem vom
    Zerfall bedroht.
    Bereits im November 2002 ereiferte sich ein Kollege im
    »Spiegel« über Schilder mit der Aufschrift »Küchen Zen-
    trum«, »Grill Imbiss« oder »Schuh Markt«. Und wackere
    Mitstreiter wie Philipp Oelwein haben im Internet ganze
    Galerien von »Schreckens Bildern« zusammengetragen. Die
    berechtigte Empörung über das »Deppen Leer Zeichen« ver-
    mochte seine Ausbreitung bislang nicht aufzuhalten − im
    Gegenteil: Inzwischen ist es in sämtliche Bereiche der deut-
    schen Sprache vorgedrungen.
    In einer spektakulären Werbeaktion verwandelte die Tele-
    kom das Brandenburger Tor vorübergehend in ein »Sport
    Portal«. Welch eine Tor Heit! Und die Tele Kom befindet
    sich in großer Gesellschaft: Die Lebensmittelindustrie pro-
    duziert »Vollkorn Müsli«, »Würfel Zucker« und »Milch
    Schokoladen Streusel«. Besonders bunt treibt es ein bekann-
    ter Suppenhersteller: Der bietet in seiner »Feinschmecker«-
    Reihe eine herzhafte »Zwiebel Suppe« an. Vom selben
    Hersteller gibt es jedoch eine ganz normal zusammenge-
    schriebene »Tomatensuppe«. Da muss man sich doch fra-
    gen, was an der Zwiebel so viel abstoßender ist? Die Verwir-
    rung wird komplett im Angesicht der »Champignoncreme
    Suppe«. Das ist also keine Cremesuppe mit Champignons,

    sondern eine Suppe aus Champignoncreme. Ich hätte nicht
    übel Lust, den Hersteller zu fragen, wie er Champignon-
    creme produziert.
    Derweil bringen Reinigungsmittelhersteller Spülmittel mit
    »Schnell Trocken Formel« auf den Markt, im Internet
    werden »Newsletter Abonnenten« mit »Gratis Diensten«
    umworben, und wer ein neues»Computer Programm«kauft,
    der muss heute einem »Endbenutzer Software Lizenz Ver-
    trag« zustimmen. In der Küche der Zukunft werden »Gefrier
    Schränke«, »Induktions Herde« und »Geschirr Spüler« ste-
    hen, in den Wohnzimmern »Stereo Anlagen« und »TV Ge-
    räte«.
    Als sich der »Spiegel« des Themas Windkraft annahm,
    schwappte eine Flut von E-Mails in das Postfach des »Zwie-
    belfischs«. Dutzende Leser monierten die Titelzeile des Ma-
    gazins, die aus zwei Wörtern bestand, die über drei Zeilen
    verteilt waren: DER WINDMÜHLEN WAHN. Vermutlich
    aus grafischen Gründen hatte man auf den Trennstrich hinter
    »Windmühlen« verzichtet. Diese Schreibweise ließ allerdings
    auch eine völlig andere Deutung zu − nämlich eine als Drei-
    Wort-Gebilde: Der Windmühlen Wahn, also eine Geschichte
    über wahnsinnig gewordene Windkrafträder. Ebenfalls zu
    unterschiedlichen Deutungen kann die Verheißung »24
    Monate ohne Grund Gebühr« führen, wie sie im
    Werbeprospekt eines Onlinedienstes zu finden war. Warum
    sollte ich mich auf einen Anbieter einlassen, der grundlos
    Gebühren erhebt? Da bleibe ich doch lieber bei meinem alten
    Vertrag, bei dem weiß ich wenigstens, aus welchem Grund
    ich Gebühren zahle!
    In der IT-Branche hat die deutsche Grammatik bekannt-
    lich einen besonders schweren Stand. Schreibweisen wie
    »Web Seiten«, »Standard Schnittstellen«, »Kunden Portal«
    und »IT Sicherheit« sind dort so häufig wie BIIIEP-Töne in
    sprachlich
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