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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
Autoren: Bastian Sick
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Grammatik
    nicht schon kompliziert genug? Oder gibt es da womöglich
    doch einen Unterschied?
    Antwort des Zwiebelfischs: Imperfekt und Präteritum sind
    tatsächlich zwei unterschiedliche Namen für dasselbe
    Tempus. In den meisten Nachschlagewerken findet man
    unter dem Stichwort »Imperfekt« einen Hinweis auf den
    Eintrag »Präteritum«. Letzterer ist heute der üblichere Fach-
    ausdruck für das, was man auf Deutsch als »erste Vergan-
    genheit« bezeichnet.
    Die deutsche Sprachwissenschaft hat wesentliche Impulse
    von der französischen Philologie erhalten − und daher
    stammt auch die Bezeichnung Imperfekt (frz. imparfait),
    denn im Französischen wird zwischen einfacher Vergan-
    genheit (passe simple) und unvollendeter Vergangenheit
    (imparfait) unterschieden. Diese Unterscheidung gibt es aber
    im Deutschen nicht. Wir haben kein »passe simple«, sondern
    nur eine (erste) Vergangenheitsform. Und eben diese als
    »unvollendet« zu bezeichnen, ist in den Augen vieler
    Deutschlehrer und Germanisten irreführend, denn die
    Vergangenheitsform, um die es hier geht, bezeichnet doch
    gerade einen Vorgang, der abgeschlossen ist:
    • Ich ging allein nach Hause.
    • Er aß nur einen Happen.
    • Wir warteten auf den Bus.

    Was ist daran »unvollendet«? Als unvollendet kann die
    Handlung nur gedeutet werden, wenn sie sich zum Beispiel in
    einem Roman abspielt. Und die meisten Romane sind ja in
    der Vergangenheitsform geschrieben. Wenn man liest »Harry
    zog seinen Zauberstab«, dann ist die Handlung noch
    keinesfalls abgeschlossen, dann wird die Sache ja erst richtig
    spannend, und jeder will wissen: Was passierte als Nächs-
    tes?
    Einen inhaltlichen Bezug zur Gegenwart hat die erste Ver-
    gangenheit aber nicht. Den wiederum hat das Perfekt, jene
    mit »haben« und »sein« gebildete Vergangenheitsform. Des-
    halb nennt man das Perfekt auf Deutsch auch »vollendete
    Gegenwart«. Wer seine Freunde und Bekannten über seinen
    Umzug informieren will, der schreibt in der Regel nicht »Wir
    zogen um«, auch wenn der letzte Karton bereits ausgepackt
    ist, sondern »Wir sind umgezogen«; denn der Umzug wirkt
    sich auf die Gegenwart aus, der Wohnortwechsel bleibt bis
    auf weiteres aktuell.
    Weil also die erste Vergangenheit − im Unterschied zum
    Perfekt − aus Sicht des Erzählers eine abgeschlossene Hand-
    lung beschreibt, bevorzugt die deutsche Grammatik dafür
    den Ausdruck »Präteritum«. Der kommt aus dem Latei-
    nischen und heißt nicht »unvollendet«, sondern schlicht und
    einfach »vergangen«. Einigen Romanisten (wie zum Beispiel
    mir) fällt es allerdings schwer, sich vom Begriff» Imperfekt«
    zu lösen. Ich bitte um Nachsicht und gelobe Besserung.
    In der gesprochenen Sprache wird das Präteritum heute nur
    noch selten gebraucht. Kaum jemand sagt im Gespräch: »Ich
    ging allein nach Hause«, sondern drückt es mit dem Perfekt
    aus: »Ich bin allein nach Hause gegangen.« Wenn das
    Präteritum in der gesprochenen Sprache zum Einsatz
    kommt,dann meistens in Verbindung mit Modal- und Hilfs-
    verben wie haben, sein, müssen, können, brauchen, dürfen:

    • Ich hatte keine Zeit.
    • Das war letzten Donnerstag.
    • Wir mussten nicht lange warten.
    • Das konntet ihr nicht wissen.

    Aus einigen süddeutschen Dialekten ist das Präteritum sogar
    völlig verschwunden, dort bedient man sich allein des
    Perfekts.

    Dem Wahn Sinn eine Lücke

    Party Service, Video Spiele, Grill Imbiss, Garten Center – in der Welt
    da draußen gibt es alles, was das Herz begehrt. Nur keine Verbind-
    lichkeit mehr. Im Drang nach Internationalität zerfällt unsere Mutter
    Sprache zusehends in ihre Einzel Teile. Ein Traktat über depperte
    Leer Zeichen und unerträgliche Wort Spalterei.
    Da stehe ich nun in diesem Laden, den man unter normalen
    Umständen als Stehcafe bezeichnen würde, und starre be-
    troffen auf meinen Milchkaffee. Der Laden selbst nennt sich
    »Steh Cafe«, in zwei Wörtern. Steh − gähnende Leere − Cafe.
    Ich habe versucht, mir einzureden, dass da früher mal ein
    Bindestrich war, der heruntergefallen ist. So etwas kommt ja
    vor. So wie auch Neonbuchstaben von Hotels und Ge-
    schäften gelegentlich mal ausfallen und man dann nur noch
    »OTEL« oder »OUTIQUE« liest und rasch weitergeht. Aber
    da war kein Bindestrich. Das »Steh Cafe« ist nie ein »Steh-
    Cafe« gewesen. Den Beweis liefert die Getränkekarte. Was
    da vor mir auf dem Tisch steht, ist laut Karte nämlich gar
    kein Milchkaffee, sondern ein
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