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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar
Autoren: Jules Verne
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zwei Uhr auf dem Glockenthurme der Kathedrale in Irkutsk, und auch nicht eine ernsthafte Bewegung der Belagerer deutete auf weitere feindliche Absichten.
    Der Großfürst und seine Officiere fragten sich, ob sie nicht in einer Täuschung befangen wären, zu glauben, daß die Tartaren einen Versuch zur Ueberrumpelung der Stadt wagen wollten. Fast in keiner der vorhergehenden Nächte ging es so ruhig zu. Immer blitzten sonst in der Vorpostenkette einzelne Flintenschüsse auf und brausten einige gröbere Geschosse durch die Luft, – heute blieb Alles still.
    Dennoch verweilten der Großfürst, der General Voranzoff und deren Adjutanten Jeder auf seinem Posten, bereit, je nach den Umständen die nöthigen Befehle zu geben und zu ertheilen.
    Wir wissen, daß Iwan Ogareff ein Zimmer des Palastes bewohnte. Eigentlich war dasselbe ein geräumiger Saal im Erdgeschoß, dessen Fenster nach einer Seitenterrasse zu lagen. Mit nur wenigen Schritten über diese Terrasse gewann man einen Standpunkt, von welchem aus die Angara weithin zu übersehen war.
    In jenem Saale herrschte eben tiefe Finsterniß.
    Der Entscheidungsstunde ungeduldig entgegensehend, stand Iwan Ogareff darin an einem Fenster. Offenbar sollte das Signal zum Losbrechen von ihm ausgehen. Hatte er dasselbe einmal gegeben und die meisten Vertheidiger von Irkutsk nach den offen angegriffenen Stellen gelockt, so wollte er das Palais verlassen, um sein Bubenstück zu vollenden.
    Er wartete also im Dunklen, lauernd wie ein Raubthier, das sich auf seine Beute stürzen will.
    Einige Minuten vor zwei Uhr verlangte der Großfürst, daß Michael Strogoff, – denn nur dieser Name war ihm ja bekannt, – vor ihn geführt werde. Ein Adjutant begab sich nach dessen Wohnung, fand aber die Thür geschlossen. Er rief …
    Iwan Ogareff stand unbeweglich und im Dunklen nicht sichtbar am Fenster, hütete sich aber zu antworten.
    Man meldete dem Großfürsten, daß der Courier des Czar augenblicklich im Palais nicht anwesend sei.
    Da schlug es zwei Uhr. Das war der Zeitpunkt für die mit den Tartaren verabredete Diversion, zu welcher Letztere schon fertig aufmarschirt waren.
    Iwan Ogareff öffnete das Fenster seines Zimmers und begab sich nach dem nördlichen Ende der Seitenterrasse.
    Im Dunklen unter ihm rauschten die Fluthen der Angara, die sich hörbar an den Pfeilern der früheren Brücke brachen.
    Iwan Ogareff zog ein Feuerzeug aus der Tasche, entzündete dadurch ein Stückchen mit Pulver imprägnirten Schwamm und warf diesen in den Fluß …
    Auf Iwan Ogareff’s Befehl waren jene Ströme Mineralöls auf die Oberfläche der Angara geleitet worden.

    Auf dem rechten Ufer des Flusses befanden sich oberhalb Irkutsk, zwischen dem Dorfe Poschkassk und der Stadt, ergiebige Naphthaquellen. Iwan Ogareff verdankte man den teuflischen Gedanken, mittels derselben Irkutsk in Brand zu stecken. Er brachte also die ungeheuren Reservoirs, welche den vorräthigen Brennstoff enthielten, in seine Gewalt. Die Durchbrechung eines Stückes der Umfassungsmauer reichte hin, um jenen in starkem Strome ausfließen zu lassen.
    Das war eben in dieser Nacht einige Stunden vorher geschehen, und war die Ursache, weshalb das Floß mit dem wirklichen Couriere des Czar, mit Nadia und den übrigen Flüchtlingen in einem Strome von Mineralöl schwamm. Durch die Oeffnungen jener, Millionen von Kubikmetern enthaltenden Reservoirs hatte sich die flüssige Naphtha wie ein Sturzbach ergossen und sich, der natürlichen Bodenneigung folgend, auf dem Wasser der Angara verbreitet, auf dem sie ja in Folge ihres geringeren specifischen Gewichtes obenauf schwimmen mußte.
    So führte Iwan Ogareff Krieg! Mit den Tartaren im Bunde handelte er wie ein Tartar auch gegen seine eigenen Landsleute. –
    Der brennende Schwamm fiel in die Wellen der Angara.
    In einem Augenblick, so als ob der Strom aus Alkohol bestände, flammte die ganze Fläche desselben fast mit elektrischer Geschwindigkeit auf. Zwischen den beiden Ufern wälzten sich bläuliche Feuerwogen. Darüber wirbelten dicke Rauchwolken empor. Die wenigen noch in der Strömung vorhandenen Eisschollen wurden von der Gluth ergriffen, schmolzen wie Wachs am Ofen und mit Zischen und Pfeifen schoß das verdampfende Wasser in die Höhe.
    Gleichzeitig knatterte am südlichen und nördlichen Ende der Stadt das Kleingewehrfeuer. Die Batterien im Thale der Angara öffneten ihren groben Mund. Mehrere Tausend Tartaren stürzten sich stürmend auf die Erdwerke. Die hölzernen Gebäude am
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