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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar
Autoren: Jules Verne
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Couriers begab jener sich nach dem Palaste des Großfürsten. Dort theilte er Iwan Ogareff die Umstände mit, unter welchen seine Tochter höchst wahrscheinlich das europäische Rußland verlassen hatte, und sagte ihm, welche Unruhe er jetzt um ihretwillen empfinde.
    Iwan Ogareff kannte Nadia nicht, trotzdem er sie ja auf dem Relais zu Ichim an jenem Tage gesehen hatte, wo sie sich mit Michael Strogoff daselbst befand. Damals hatte er aber weder auf sie noch auf die beiden Journalisten geachtet, die sich gleichzeitig auf jenem Posthofe aufhielten. Er war also außer Stande, Wassili Fedor die gewünschten Nachrichten über seine Tochter mitzutheilen.
    »Wann hat Ihre Tochter, fragte Iwan Ogareff, das russische Gebiet etwa verlassen?
    – Ungefähr zu derselben Zeit, wie Sie, antwortete Wassili Fedor.
    – Ich verließ Moskau am 15. Juli.
    – Nadia wahrscheinlich ganz zu derselben Zeit, wenigstens gab mir ihr letzter Brief diesen Termin an.
    – Sie war am 15. Juli in Moskau?
    – Ja gewiß, an eben diesem Tage.
    – Richtig …« sagte zögernd Iwan Ogareff.
    Dann aber schien er seine Meinung zu ändern.
    »Nein, nein, ich täusche mich doch … ich verwechsele jetzt das Datum, fügte er hinzu, leider ist es zu wahrscheinlich, daß ihre Tochter die Grenze noch überschritten hat, und Sie können nun höchstens die einzige Hoffnung hegen, daß sie sich hat zurückhalten lassen, wenn sie von dem Einfall der Tartaren Nachricht erhielt.«
    Wassili Fedor neigte betrübt den Kopf. Er kannte Nadia zu gut und wußte, daß nichts im Stande sein würde, sie von ihrem Vorsatz abzubringen.
    Iwan Ogareff beging hier eine unnöthige Grausamkeit. Er hätte Wassili Fedor mit einem Worte beruhigen können. Hatte Nadia auch, wie wir wissen, die sibirische Grenze unter ganz besonderen Umständen passirt, so hätte Wassili Fedor doch, wenn Jener ihm die Uebereinstimmung jenes Datums und des ergangenen Verbotes erwähnte, glauben müssen, daß sie nicht den Gefahren der Invasion ausgesetzt gewesen sei und sich, wenn auch gezwungen, doch noch auf europäischem Gebiete befinden werde.
    Iwan Ogareff, ein Mann, der von Anderer Leiden niemals berührt wurde, folgte dabei nur seiner Natur, er hätte jenes Wort sprechen können … er sprach es nicht. Wassili Fedor zog sich mit gebrochenem Herzen zurück. Nach dieser Erkundigung schwand ihm die letzte Hoffnung.
    An den beiden folgenden Tagen, dem 3. und 4. October, ließ der Großfürst den vermeintlichen Michael Strogoff wiederholt zu sich bescheiden und befahl ihm, Alles zu wiederholen, was er im kaiserlichen Cabinet des Neuen Palais gehört hatte. Iwan Ogareff antwortete, da er sich auf solche Fragen vorbereitet hatte, stets ohne Zögern. Er verheimlichte dabei absichtlich nicht, daß die Regierung des Czar durch den Einfall vollständig überrascht und der Aufstand in tiefster Verschwiegenheit vorbereitet worden sei, da die Tartaren schon die Linie des Obi besetzt hatten, als die ersten Nachrichten davon nach Moskau gelangten, und endlich, daß in den russischen Provinzen Nichts bereit sei, eine zur Vertreibung der Feinde hinreichende Truppenmacht schnell nach Sibirien zu werfen.
    Da er übrigens vollkommen sein freier Herr war, begann Iwan Ogareff nun Irkutsk recht eigentlich zu studiren, den Zustand der Befestigungen und vorzüglich deren schwächste Punkte auszuspähen, um davon Nutzen ziehen zu können, wenn irgend ein Umstand ihn an der Ausführung der geplanten Verrätherei hindern sollte. Ganz besonders nahm das Thor von Bolchala seine Aufmerksamkeit in Anspruch, da er dieses zu überliefern beabsichtigte.
    An diesem Abend kam er zwei Mal an das Thor. Er ging hier auf und ab, ohne die Kugeln der Belagerer zu fürchten, deren erste Posten noch keine Werft weit von demselben entfernt waren; er wußte recht gut, daß ihm nichts widerfahren könne, ja, daß man ihn sogar erkenne.
    Da bemerkte er einen Schatten, der geräuschlos bis an den Fuß der Erdwerke heranschlich.
    Sangarre war es, die ihr Leben auf’s Spiel setzte, um von Iwan Ogareff Nachricht zu erlangen.
    Uebrigens erfreuten sich die Belagerten seit zwei Tagen einer Ruhe, an welche die Tartaren sie bisher nicht gewöhnt hatten.
    Es geschah das auf Anordnung Iwan Ogareff’s. Der Lieutenant Feofar-Khan’s wollte alle Versuche, die Stadt mit Gewalt zu erobern, aufgeschoben wissen. Deshalb schwieg die Artillerie seit seiner Ankunft in Irkutsk vollkommen. Vielleicht – wenigstens setzte er noch einige Hoffnung hierauf, – ließ
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