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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille
Autoren: Peter Mayle
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bei polizeilichen Ermittlungen – bildschönes Opfer aus Hubschrauber gerettet.« Er blickte zu Sam hoch. »Gute Schlagzeile, findest du nicht auch? Mimi versucht den Verleger zu erwischen, bevor er in der Redaktion erscheint. Er wird begeistert sein. Die Polizei auch. Sie kann immer eine gute Presse gebrauchen.« Philippe scheuchte Sam mit einer Handbewegung weg und nahm sein Gehämmer wieder auf, wobei er zufrieden vor sich hin summte. Er merkte kaum, dass Mimi den Hörer aufgelegt hatte und ihm das Daumen-hoch-Zeichen gab. »Gefällt ihm«, sagte sie. »Aber erst müssen die Anwälte den Artikel absegnen. Wäre prima, wenn du ihm das Ganze bis zur Mittagszeit zuschicken könntest.«
    Sam bestückte ein Tablett mit Kaffee und Croissants und kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo Elena in ihrem Bademantel auf der Bettkante saß. Sie atmete tief den Dampf ein, der von ihrem Café au lait aufstieg, tunkte das Ende des Croissants in den Milchkaffee, kostete einen Bissen und strahlte. »Und nun wüsste ich gerne, was passiert ist, Mr. Levitt. Hat es mir Spaß gemacht?«
    Am folgenden Morgen schmückte Philippes Artikel die Titelseite von La Provence, illustriert mit einem Foto von Wappings Jacht und dem deutlich erkennbaren Hubschrauber auf dem Achterdeck. Philippe hatte sich so weit aus dem Fenster gelehnt, wie die Anwälte erlaubten, und jeder, der den Artikel las, gewann den Eindruck, dass sich die Floating Pound in den Händen widerwärtiger und möglicherweise krimineller Ausländer befand. Diejenigen, die ein persönliches Interesse an der Geschichte hatten, brauchten nicht lange, um zwischen den Zeilen zu lesen.
    Jérôme Patrimonios Frühstück wurde dadurch gründlich verdorben. E nahm es gerne in einem Café am Vieux Port ein, wo er eine klammheimliche Beziehung zur blutjungen Frau des ältlichen patron pflegte. Doch heute gab es kein Getändel, keine verweilenden Blicke und keine intimen Momente, wenn sich die Hände beim Begleichen der Rechnung berührten. Die anderen Stammgäste wussten um Patrimonios Seilschaft mit einem veritablen englischen Adeligen – er prahlte gerne damit –, und deshalb hatte ihm einer den Artikel gezeigt. Er las ihn, anfangs verblüfft, dann mit wachsender Sorge – weniger um Wapping als vielmehr um sein eigenes Wohl. Was würde bei den polizeilichen Ermittlungen herauskommen? Würde man ihm etwas zur Last legen können? Wie sollte er sich so weit wie möglich vor den unliebsamen Nachbeben schützen? Er verließ das Café und eilte in sein Büro, ein verstörter, in seinen Grundfesten erschütterter Mann.
    Auch für Lord Wapping hatte der Tag schlecht begonnen. Er war auf seiner Jacht unter Hausarrest gestellt, sein Handy konfisziert und sein Hubschrauber an die Kette gelegt worden; wohin er auch blickte, überall schwirrten Polizisten in Uniform herum. Er war Realist genug, um zu akzeptieren, dass man ihn, wie ihm einer der Polizeioffiziere mitzuteilen beliebte, en flagrant délit erwischt hatte (oder mit heruntergelassenen Hosen, wie Ray Prendergast es ausdrückte). Das war an sich schon schlimm genug, aber nicht die einzige dunkle Wolke am Horizont. Seit der Ankunft der Polizei benahm sich Annabel, als würde sie ihn kaum kennen.
    Arme Annabel. Sie musste Philippes Artikel gar nicht erst sehen, um zu erkennen, dass man sie wie alle anderen Anwesenden auf der Jacht als Komplizin bei einer Straftat behandeln würde – es sei denn, sie konnte beweisen, von der Entführung nichts gewusst zu haben. Während ihrer Zeit mit Wapping hatte sie mit großem Erfolg die Augen vor dem verschlossen, was sie als seine Geschäftsinteressen bezeichnete, und instinktiv vermieden, Fragen über die schlafende Gestalt zu stellen, die Brian und Dave an Bord gebracht hatten. Nun überschlugen sich ihre Gedanken. Sie musste einen Weg finden, das sinkende Schiff zu verlassen und sich zu ihren lieben Freunden nach Saint-Tropez durchzuschlagen. Die würden wissen, was zu tun war. Eine grauenvolle Situation, einfach zu grauenvoll.
    Für Patrimonio geriet der Vormittag schnell außer Kontrolle. Ein Ausschussmitglied nach dem anderen hatte ihn angerufen, um seiner ernsthaften Besorgnis über einen stadt bekannten Kriminellen Ausdruck zu verleihen, der in ein städtisches Bauprojekt dieser Größenordnung verwickelt war. Er musste außerdem eine höchst unerfreuliche Unter redung mit dem Bürgermeister über sich ergehen lassen, der ihm auf das Schärfste nahelegte, umgehend die nötigen Schritte einzuleiten,
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