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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille
Autoren: Peter Mayle
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um sich und seine Kollegen von Lord Wapping zu distanzieren. Angesichts dieser Schimpfkanonade, die noch in seinem Kopf nachhallte, berief Patrimonio, wie vom Bürgermeister angeordnet, eine Krisensitzung des Ausschusses ein.
    Es überraschte wohl nicht, dass Francis Reboul mit beträchtlicher Zufriedenheit auf den Skandal reagiert hatte, doch die Freude wurde durch einen kleinen Wermutstropfen getrübt. Es war möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass Wappings Angebot ausgeschlossen wurde, aber Reboul waren die Hände gebunden. Offiziell konnte er nichts tun, um diese Entscheidung zu unterstützen. Er musste dringend mit Sam reden.
    »Wie geht es Elena?«
    »Francis, in Kalifornien sind die Mädchen aus einem harten Holz geschnitzt. Sie tut so, als wäre überhaupt nichts passiert. Sie fühlt sich ein wenig benebelt, aber ansonsten prima, sagt sie. Sie hat gefrühstückt, war im Pool und redet bereits vom Mittagessen und einem Glas Wein.«
    »Das freut mich sehr. Und Sam – herzlichen Glückwunsch. Sie haben ganze Arbeit geleistet. Das müssen wir feiern. Doch zuerst müssen wir Nägel mit Köpfen machen und dafür sorgen, dass unser Projekt grünes Licht erhält – nur kann ich, wie Sie wissen, offiziell nichts tun, um mein Scherflein dazu beizutragen.«
    Sam dachte bereits einen Schritt weiter als Reboul. »Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle tun würde? Ich würde Ihren Freund Gaston bitten, sich mit seinem Freund, dem Bürgermeister, in Verbindung zu setzen. Er ist Patrimonios Vorgesetzter, also muss er wissen, was vorgeht.«
    Gesagt, getan.
    Als Reboul Sam später zurückrief, erzählte er Sam, dass der Bürgermeister nach dem Gespräch mit Gaston beschlossen hatte, an der Krisensitzung des Ausschusses teilzunehmen, die für den Nachmittag anberaumt war. Gaston hatte es nützlich gefunden, den Bürgermeister an jenem Abend zum Essen ins Petit Nice einzuladen. Und da kein Franzose, der noch klar bei Verstand ist, eine kostenlose Drei-Sterne-Mahlzeit ablehnte, hatte der Bürgermeister eine zuvor getroffene Verabredung mit dem Marseiller Ortsverband der altgedienten Rotarier abgesagt. Gaston war ziemlich sicher, dass die Unterhaltung bei einem Menü auf höchstem Niveau wegweisend wirken würde.
    Für Lord Wapping und Ray Prendergast schien der Tag kein Ende nehmen zu wollen. Die Forderung nach Rückgabe ihrer Handys war abgelehnt worden trotz Wappings inständiger Bitte, seine imaginäre todkranke Mutter anrufen zu dürfen, die in einem Londoner Pflegeheim ihrem Ende entgegensehe. Die beiden hockten in der Eignerkabine und versuchten, ihren Kummer in Cognac zu ertränken, was ihnen nur teilweise gelang.
    »Diese Mistkerle«, fluchte Wapping. »Sie müssen uns erlauben, einen Anwalt anzurufen, oder?«
    »Keine Ahnung, Billy. Das Problem ist, wir haben es mit Franzosen zu tun.«
    »Ich weiß, Ray. Ist mir auch schon aufgefallen.«
    »Ich wollte damit sagen, dass hier andere Regeln und Gesetze herrschen. Nur ein Beispiel: Hier wurden Straftäter noch bis 1981 guillotiniert – Rübe ab.«
    »Wapping schauderte. »Mistkerle.«
    »Und das ist längst nicht alles. Für Entführer haben sie ebenfalls nicht viel übrig. Wir müssen damit rechnen, die nächsten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre im Knast zu verbringen.«
    Die beiden Männer saßen geraume Zeit schweigend da, in düstere Gedanken versunken. Wapping leerte sein Glas in einem Zug und griff nach der Flasche, dann hielt er mitten in der Bewegung inne. »Wir müssen vom Schiff runter, oder?«
    Prendergast nickte.
    »Du musst mich ins Krankenhaus bringen.«
    »Wieso? Was ist los mit dir?«
    »Herzprobleme, Ray. Und zwar nicht zu knapp.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du ein schwaches Herz hast.«
    »Ich auch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Lass mich bloß machen.«
    Der Polizist, der vor der Tür der Kabine Wache stand, spähte durch das Fenster, gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie Lord Wapping vom Stuhl kippte, auf dem Fußboden landete, seinen Brustkorb umklammerte und nach Luft schnappte.
    Jérôme Patrimonio rief die Versammlung zur Ordnung, ein wenig gehemmt durch die Anwesenheit des Bürgermeisters, eine teilnahmslose Gestalt am anderen Ende des Konferenztisches. In einem seiner wirkungsvollsten Auftritte als Vorsitzender, wie er rückblickend meinte, begann er, ein Klagelied auf das schockierende Verhalten von Lord Wapping anzustimmen. Der Mann habe alle hinters Licht geführt und sich als vollkommen ungeeigneter Partner bei einem
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