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Der Countdown

Der Countdown

Titel: Der Countdown
Autoren: Rick Mofina
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sie es verkaufen müssen. Sie schränkte sich bereits ein. Zwar hatte sie noch den Job im Buchladen, aber ihre finanzielle Situation wurde immer verzweifelter.
    Also lehnte Maggie es ab, der Detektei mehr Geld zu zahlen. Sie recherchierte auf eigene Faust und verbrachte die meisten Nächte vor dem Computer. Sie nahm Kontakt mit Fernfahrer-Verbänden auf und mit Organisationen, die nach vermissten Kindern suchten, schilderte ihren Fall in einschlägigen Newslettern und Blogs. Sie durchkämmte Nachrichtenseiten nach Meldungen von Unfällen, in die ein Truck und ein Junge in Logans Alter verwickelt waren.
    Bei jeder neuen Tragödie krampfte sich Maggies Magen zusammen.
    Sie schloss sich Selbsthilfegruppen an. Dort riet man ihr, die Presse auf ihren Fall aufmerksam zu machen, um Jake und Logan wiederzufinden. Alle paar Tage, dann jede Woche arbeitete sie die Liste ab:
Los Angeles Times
,
Orange County Register
,
Riverside Press Enterprise
und nahezu jede TV- und Radiostation hier im Süden.
    “Oh ja, wir haben uns die Sache angesehen”, sagte ein apfelkauender Produzent zu Maggie, nachdem sie dreimal eine Nachricht hinterlassen hatte. “Nach unseren Quellen ist der Fall zwar als Kindesentziehung durch ein Elternteil klassifiziert, doch es scheint sich eher um eine häusliche Angelegenheit zu handeln. Tut mir leid.”
    Abgesehen von Stacy Kurtz, der Kriminalreporterin vom
Star Journal
, beantwortete kein Journalist mehr ihre Anrufe.
    “Ich glaube nicht, dass wir bereits eine Story haben, aber halten Sie mich auf dem Laufenden”, sagte Stacy jedes Mal, wenn Maggie anrief.
    Zumindest hörte sie zu. Sie hatte Maggie nie persönlich kennengelernt, doch manchmal erschienen ihre Artikel mit einem Porträtbild von ihr. Stacy trug eine dunkel gerahmte Brille, große Ohrringe und hatte ein Lächeln, das im Laufe ihres Jobs allmählich bitterer wurde. Tägliche Berichte über die letzte Schießerei, Feuer, Ertrunkene, Autounfälle oder andere Tragödien laugten sie aus. An einigen Tagen sah sie älter aus, als sie war.
    “Ich kann nicht garantieren, dass wir eine Story daraus machen, aber ich höre mir Ihren Fall gerne an, solange Sie mich über alle neuen Entwicklungen im Bilde halten.” Stacys direkte Art mochte rüde erscheinen, aber sie ersparte ihr kostbare Zeit in einem Beruf, der von Abgabeterminen diktiert wurde.
    Auch Maggie hatte das Gefühl, dass ihr die Zeit zwischen den Fingern zerrann.
    Was, wenn sie Logan niemals wiederfand? Ihn nie wiedersah?
    Nun stand sie vor den Redaktionsräumen des
Star Journal
, einer Zeitung, die in einem eingeschossigen Gebäude an einem vierspurigen Boulevard residierte.
    Es befand sich zwischen Sids-Bargeld-Service und Fillipos Menswear und wirkte wie das traurige Relikt einer abgewickelten 60er-Jahre-Einkaufsmeile. Von der ehemaligen Toplage war nichts mehr übrig geblieben.
    Eine Palme ließ ihre Blätter müde über den Eingang hängen. Auf dem Dach wehte eine zerschlissene US-Fahne in der schwachen Brise, und aus einer knatternden Klimaanlage rann rostfarbenes Wasser über die Fassade nach unten.
    Für die Einheimischen war das Gebäude des
Star Journal
ein Schandfleck, der abgerissen gehörte.
    Für Maggie war es die letzte Chance, um Logan zu finden, denn von Tag zu Tag verblich ihre Hoffnung – wie die Flagge auf dem maroden Gebäude. Dennoch war sie heute Morgen hierhergekommen, mit nichts als einem Gebet bewaffnet.
    “Kann ich Ihnen helfen?”, fragte eine korpulente Frau im geblümten Kleid von einem Schreibtisch aus, der dem Empfangstresen am nächsten stand. Ungefähr ein Dutzend weiterer Schreibtische waren nach der klassischen Redaktionsanordnung dicht an dicht aufgestellt. Die meisten waren nicht besetzt. An manchen saßen ernst dreinblickende Menschen, die auf ihren Monitor blickten oder in ein Telefongespräch vertieft waren.
    Die weißen Wände waren über und über bedeckt mit Landkarten, Titelseiten, Fotografien und verschiedenen Titelzeilen. Aus der einen Ecke, in der auf drei TV-Geräten die Nachrichtensender liefen, krächzte der Polizeifunk. Am anderen Ende des Raums befand sich ein gläsernes Büro, in dem sich ein kahlköpfiger Mann mit gelockerter Krawatte mit einem jungen Mann stritt, der eine Kamera über der Schulter trug.
    “Ich möchte zu Stacy Kurtz”, sagte Maggie.
    “Haben Sie einen Termin?”
    “Nein, aber …”
    “Name?”
    “Mein Name ist Maggie Conlin.”
    “Maggie Conlin?”, wiederholte die Frau und blickte fragend zu ihrer Kollegin
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