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Der Countdown

Der Countdown

Titel: Der Countdown
Autoren: Rick Mofina
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gesicherten Informationen.”
    “Sind schon irgendwelche Kollegen von mir eingetroffen? Können Sie Ihren Einsatzleiter fragen?”
    Einer der Männer griff nach seinem Funkgerät, hielt kurz Rücksprache mit seinem Einsatzleiter und übergab dann an Graham. Von dem Einsatzleiter erfuhr er, dass Mounties von Banff und Canmore auf dem Weg waren. Weitere hatte man zur Unterstützung angefordert.
    “Haben Sie einen Unglücksort und die Identität des Opfers?”, fragte Graham.
    Ein Parkleiter informierte Graham, dass man die Leiche eines männlichen Kindes, etwa acht bis zehn Jahre alt, ungefähr einen Kilometer flussabwärts von Grahams Standort gefunden habe. Offenbar sei ein Kanu gekentert, die Parkaufsicht vermutete weitere Opfer.
    “Es wird alles Menschenmögliche getan”, sagte der Einsatzleiter.
    “Ich helfe bei der Suche und arbeite mich zum Fundort des Jungen vor. Geben Sie das bitte weiter”, sagte Graham.
    Die beiden Männer gingen weiter flussaufwärts, während Graham seine paar Habseligkeiten einpackte und so rasch, wie es das unwegsame Gelände zuließ, auf den Fluss zusteuerte. Die Unterbrechung hatte ihn vom eigentlichen Grund seiner Anwesenheit abgelenkt. Graham schob seine persönlichen Probleme beiseite, um sich der Tragödie zu widmen, die sich ihm hier bot.
    Er hielt inne, um mit dem Fernglas die zerklüfteten Ufer und das Wasser abzusuchen, konzentrierte sich besonders auf Felsen, die aus dem Wasser ragten. Sie erzeugten kräftige Wirbel und eine in allen Regenbogenfarben schimmernde Wassergischt, wenn die Strömung gegen sie schlug. Während er die Gegend absuchte, hörte Graham über sich das charakteristische Geräusch der Hubschrauberrotoren und das entfernte Surren des einmotorigen Flugzeugs.
    Als er an eine gefährliche Stelle kam, rutschte er auf den feuchten Felsen aus und schlug sich das Knie an. Doch er ging weiter und bahnte sich seinen Weg zwischen den schroffen Steinformationen, die das Tor für einen Wasserfall bildeten. Er hörte donnerndes Rauschen.
    Während er über das Gestein balancierte, glaubte Graham etwas Buntes zwischen einigen größeren Felsen zu erspähen, an denen sich das Wasser in der Mitte des Flusses schäumend brach. Er suchte nach einem sicheren Stand und setzte das Fernglas an. Die Gischt behinderte seine Sicht, doch er war überzeugt, dass er durch den sprudelnden Wasserwirbel etwas Pinkfarbenes an dem Felsen erblickte. Er verschaffte sich eine bessere Position, sodass er mehr Details erkennen konnte: einen kleinen Kopf, einen Arm, eine Hand.
    Es ist ein Kind. Ein Mädchen. Das durch die Strömung gegen den Fels gepresst wird. Das um sein Leben kämpft.
    Sie war knapp fünfzig Meter von ihm entfernt und wurde durch eine Haube aus Gischt verdeckt. Sie konnte jeden Moment von dem Felsen weggespült und in Richtung Wasserfall getrieben werden. Den Sturz würde sie nicht überleben.
    Es gab keine Zeit zu verlieren. Er hatte weder Funkgerät noch Handy bei sich. Es waren auch keine anderen Rettungskräfte in Sicht. Er musste die Entscheidung allein treffen.
    Während er an dem rauschenden Fluss stand und auf den winzigen pinkfarbenen Fleck starrte, fühlte Graham die Vibrationen des Wassers in seinem Brustkorb. Er wusste, wie gefährlich es war, hier und jetzt selbst ins Wasser zu gehen. Er hatte nur eine Chance, sie zu erreichen. Wenn er versagte, würde ihn die Strömung davontragen – und dann müsste er um sein Leben kämpfen, bevor sie ihn zum Wasserfall trieb und er auf die Felsen darunter stürzte.
    Nach allem was geschehen war – was hatte er in seinem Leben zu verlieren?
    Graham kannte das Risiko. Vermutlich musste er sterben. Doch das würde auch das Kind, wenn er nicht versuchte, es zu retten.
    Er musste sie herausholen.
    Er eilte ein Stück zurück flussaufwärts, streifte seine Stiefel ab, legte Marke, Fernglas und alles andere ab, was ihn behindern konnte, und ließ sich in das kalte Wasser gleiten.
    Der Fluss drohte ihn mit sich zu reißen, und das Adrenalin schoss in seinen Körper, als er gegen die Strömung ankämpfte und sich einen Weg zwischen den Felsen bahnte. Weiße Blitze zuckten vor seinen Augen, als sein Bein gegen einen Stein prallte. Schmerz durchzog ihn, und er ging unter. Das Wasser rauschte in seinen Ohren, er schluckte Wasser.
    Er drückte sich wieder an die Wasseroberfläche, keuchte und spuckte einen Schwall Flusswasser. Nach Luft schnappend versuchte er sich zu orientieren und das Mädchen auszumachen. Der pinkfarbene Fleck,
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