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Der Computer und die Unsterblichen

Der Computer und die Unsterblichen

Titel: Der Computer und die Unsterblichen
Autoren: Alfred Bester
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Hitze der Fermentation, bei der brennbare Gase freiwerden. Ihr Licht war hell genug, daß ich sehen konnte und die Taschenlampe nicht brauchte.
    Ich ging über das Kompostfeld zu der kleinen Grube, in die Fee 5 gelegt worden war. Der Gestank verschlug mir den Atem. In der Grube war es dunkel, also schaltete ich die Taschenlampe ein. Ungefähr einen Meter unter mir war eine ebene Oberfläche aus Stroh. Ich faßte mir ein Herz und sprang hinunter. Das Stroh war schwammig und schwankend wie sumpfiger Boden. Ich fühlte die Hitze und wußte, daß ich schnell arbeiten mußte, wenn ich nicht durch die Hitze und Gasentwicklung ohnmächtig werden wollte. Ich krallte das Stroh beiseite, erreichte eine Schicht aus gestoßenem Kalk, schaufelte sie mit den Händen fort und stieß auf einen gedunsenen Körper, die Haut abgelöst und in Fetzen, verrottend. Nicht Fee. Ein Mann. Ich übergab mich.
    Er muß nach Fee hereingekommen sein, dachte ich. Du mußt ihn wegwälzen. Ich überwand mich und wälzte ihn mit dem Fuß herum, aber er fiel an den Gelenken auseinander und entließ brandiges Gas. Ich würgte Galle. Unter ihm war eine Schicht von getrocknetem Blut, und darunter war ein weiterer großer Erwachsener im Endstadium des Zerfalls. Das schleimig zersetzte Fleisch gab bereits Teile des Skeletts frei. Wenn Fee darunter ist, kann nichts mehr übrig sein, dachte ich. Hoffnungslos. Wieder würgte ich.
    Eine Stimme krähte: »Da wühlt einer!«
    Eine andere antwortete: »Uns nichts übriglassen, wie?«
    Ich schwenkte den Lichtkegel aufwärts. Drei wild aussehende Gestalten, hell vor dem schwarzen Himmel. Grabräuber auf der Suche nach Zahngold und Schmuck.
    »Hast du eine Gewerkschaftskarte, Mann?« rief der dritte.
    Sie sprangen zu mir in die Grube. Sie waren mit schweren Oberschenkelknochen bewaffnet und schienen entschlossen, mich dem Kompost zuzusetzen. Ich hatte keine Waffe und wich vor ihnen zurück. Ich versuchte, sie mit der Taschenlampe zu blenden, aber sie blinzelten nur und packten die Hüftknochen fester.
    Mein Graben mußte dem Kompost genug Frischluft zugeführt haben, um die Verbrennung der Gase auszulösen. Bläuliche Flammen zuckten und flackerten aus dem Loch und huschten durch die ganze Grube. Die drei Grabräuber retteten sich mit brennenden Kleidern die nächste Wand hinauf. Ich floh in die entgegengesetzte Richtung, ebenfalls in Flammen. Während sie ihre schwelenden Lumpen ausklopften, machte ich mich eilig davon. Erst als »Il Arrivederci« weit hinter mir lag, begann ich zu schlagen und zu klopfen.
    Ich brauchte nichts zu erzählen, als ich wieder zur Gruppe kam. Sie wußten Bescheid. Sie stellten keine Fragen, nicht einmal über den Zustand, in dem ich war: Kleider und Haare versengt, Brandblasen an Armen und Beinen, nach Verwesung stinkend. Sie erhoben sich still, warfen einen letzten Blick auf den Häuptling, der inzwischen gesäubert worden war, und drückten Natoma mit gedämpften Stimmen ihr Mitgefühl aus. Dann verließen sie uns, um in ihre eigenen Lebenskreise zurückzukehren.
    Natoma lächelte. »Du mußt baden und frische Kleider anziehen«, sagte sie sanft. »Ich habe zwei Babys zu versorgen.«
    »Danke, Nat. Dies ist ein sehr müdes Baby.«
     
    Es war kein Vergnügen für Mr. und Mrs. Edward Curzon, das Brüderchen mit Taxi und Magnetkissenzug zur Erie-Reservation zu schaffen, und als wir ihn endlich im Elternhaus auf die Couch betteten, machte er sie prompt naß. Mama sah ihn an und begann zu schluchzen. Die Jungen kamen hereingerannt und machten große Augen. Mama rief ihnen einen Befehl zu. Sie liefen hinaus, und wenige Augenblicke später kam Papa und sah.
    »Du mußt alles erklären«, sagte ich zu Natoma. »Sag ihnen so viel, wie sie verstehen werden. Das mit den Molekularen Menschen solltest du nicht erwähnen; es wäre zuviel.«
    Ich ging hinaus und setzte mich in die Morgensonne, wo Sequoia und ich vor so langer Zeit zusammen gesessen hatten. Nach ein paar Stunden kam Natoma aus dem Haus, blickte umher, fand mich und setzte sich zu mir. Sie war unterwürfig und traurig. Ich sagte nichts. Als sie auch nichts sagen wollte, nahm ich ihre Hand und drückte sie. »Wie haben sie es aufgenommen?«
    »Nicht sehr gut.«
    »Kann ich ihnen nicht verdenken. Ihr prachtvoller, brillanter Sohn. Ich hoffe, sie leben lange genug, um zu sehen, wie er wieder der alte wird.«
    »Mein Vater sagt, dies wäre nie geschehen, wenn er dich nicht getroffen hätte.«
    »Ich wußte nicht, daß es so kommen würde.
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