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Der Computer und die Unsterblichen

Der Computer und die Unsterblichen

Titel: Der Computer und die Unsterblichen
Autoren: Alfred Bester
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eins. Als der Extro auszog, ließ er nichts zurück. Er wird wieder aufwachsen müssen. Nicht weiter schlimm. Er hat genug Zeit.«
     

 
14.
     
    Hic mußte mir helfen, Sequoia hinauszutragen. Der Häuptling konnte nicht gehen. Er konnte nicht sprechen. Er war hilflos. Und er machte in die Hose; wir würden ihn trockenlegen müssen. Ich war froh, aus dem Komplex zu kommen, ehe die Kryos verlangten, daß ich ihnen den Radschah vom Hals schaffte. Mit einem Taxi brachten wir Guess in unser Notquartier, wo die Gruppe besorgt und gespannt wartete. Als sie uns das Riesenbaby hereinschleppen sahen, waren sie verblüfft.
    »Es ist alles vorbei«, sagte ich erschöpft. »Wir können laut reden und denken. Wir können Transportmittel nehmen und tun, was uns gefällt. Kein Krieg mehr.«
    »Aber was ist Guess zugestoßen?«
    »In ungefähr zwanzig Jahren wird er wieder der alte sein. Im Moment braucht er nur gesäubert zu werden. Gebt mir einen Doppelten, und ich werde euch alles erzählen.«
    Ich erzählte, und sie lauschten und betrachteten das Riesenbaby. Natoma war so fasziniert von den Ereignissen und so erleichtert, daß unser Bruder lebendig davongekommen war, daß sie vergaß, sich über seine Regression aufzuregen. Zuletzt sagte ich: »Ich weiß, ihr wollt alle hier heraus und euren eigenen Geschäften nachgehen, aber bleibt bitte noch ein wenig länger. Ich habe noch eine Mission, und vielleicht brauche ich danach eure Hilfe.«
    »Was ist es?« fragte Hilly.
    Ich erzählte ihnen vom Angebot der Kryos.
    »Zu spät«, sagte der Hebräer. »Tut mir leid. Sie ist schon zu lange unter der Erde.«
    »Ich muß es trotzdem versuchen. Es gibt immer Hoffnung.«
    »Nicht viel.«
    »Es ist zu dunkel, Guig. Gefährlich. Warte bis morgen früh.«
    »Je länger ich warte, desto weniger Hoffnung.«
    »Geh nicht, Ed. Du wirst sie nie finden.«
    »Ich muß es versuchen, Nat«, sagte ich. »Ich weiß, daß es ein furchtbarer Job ist, aber ich muß versuchen, einen Körperteil von ihr zu finden. Wenn ihr mir nicht helfen könnt oder wollt, bringt mich wenigstens nicht davon ab.«
    »Wir gehen mit dir«, erbot sich M'bantu.
    »Danke, nein. Zu zweit oder dritt würden wir nur einem Polizeihubschrauber auffallen. Ich werde allein gehen. Wartet hier. In einer Stunde bin ich zurück.«
    Als ich am Rand des Begräbnisplatzes aus dem Taxi stieg, knatterte ein Hubschrauber über mich weg und ließ seinen strahlend weißen Lichtkegel hierhin und dorthin wandern. Einen Augenblick lang stand ich im hellen Licht, dann war wieder Nacht. Eine häßliche Nacht, nicht wegen Gespensterfurcht oder Todesgrauen, sondern durch den Widerwillen des Lebenden gegen Verwesung und Auflösung. Der Geruch hing schwer in der Luft, süßlich und stickig: Ammoniak, Nitrate, Phosphate, Pottasche, Fäulnis. Die Toten durften heutzutage nicht mehr nutzlos vergeudet werden; jedes Endprodukt des Lebens kam in den Kompost.
    Die Totenstätte »Arrivederci« bedeckte eine Fläche von ungefähr einem halben Hektar (die öffentlichen Kompostfelder nahmen die zehnfache Fläche ein) und verwendete die Betonfundamente des alten Waldorf-West-Hotels, das vor vierzig Jahren abgerissen worden war, um einem Bürokomplex Platz zu machen, der nie gebaut wurde. Inzwischen verfaulten die meisten der beteiligten Finanziers und Spekulanten selbst im Kompost. Fortschritt.
    Die Fundamente sahen wie ein Labyrinth aus verschieden großen Rechtecken und Quadraten aus. Ihre Betonwände waren drei Meter hoch, fast einen Meter dick und oben flach, so daß sie von Arbeitern und Leidtragenden als Gehwege benutzt werden konnten. Es kamen nicht viele Leidtragende. Auf ein Kompostfeld geht man nur einmal und dann nie wieder, und es spricht sich herum. Die Leichen werden mit anderen organischen Abfällen und Chemikalien schichtweise abgelegt, und man achtet auf eine möglichst ebene Oberfläche, damit der Regen den Kompost gleichmäßig durchfeuchtet. Nach langen Regenperioden ragen Knochen aus dem zusammengesunkenen Fäulnissumpf.
    Knochen sind immer lästig, wenn eine Kompostgrube geleert und der gereifte Kompost abgefahren wird. Aus diesem Grund gibt es bei der Verladerampe ein großes Stahlgitter auf Trägern zum Aussieben der groben Abfälle, und die angehäuften Knochen und Schädel sehen wie ein danse macabre aus.
    Die ganze Woche war trocken gewesen, und ich wurde von den geisterhaften, bläulichen Flammen erschreckt, die in einigen der Gruben flackerten und tanzten. Sie entstehen durch die starke
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