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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt
Autoren: Helmut Vorndran
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sich das alles nicht vorgestellt.
    Nun
wollte sie sich bei Bernd entschuldigen und einen vorläufigen Burgfrieden
schließen – aber er war nicht da. Dieser Tag könnte durchaus besser
laufen, dachte sie resigniert und sank mit einem Seufzer auf den
Schreibtischstuhl ihres Mühlenausbaugeliebten. Dankbar nahm sie die von
Honeypenny gereichte Tasse Kaffee entgegen.
    »Klappt
wohl nicht so richtig auf der Baustelle, was?«, fragte Marina Hoffmann
mitfühlend, während sie sich auf dem Stuhl gegenüber niederließ.
    Ute von
Heesen winkte ab und starrte auf den gleichen gelblichen Fliegenschiss am
Fenster, der wenige Stunden zuvor schon Lagerfeld als optisch-moralische Krücke
gedient hatte.
    »Ich
glaube, wir brauchen dringend fachkundige Hilfe. Eine Bauleitung. Wir haben
beide zu wenig Ahnung von der Materie, auch wenn Bernd immer den Alleskönner
mimt«, sagte Ute von Heesen müde. »Andererseits können wir uns nicht mal
ansatzweise einen Architekten leisten. Der Kredit ist eh schon auf Kante
genäht.« Seufzend nahm sie einen tiefen Schluck aus der Tasse mit dampfendem
Kaffee.
    Plötzlich
leuchteten Marina Hoffmanns alias Honeypennys Augen auf. »Ein Fachmann für alte
Häuser? Ich glaube, da kann ich euch beiden weiterhelfen«, strahlte sie Ute von
Heesen an. »Lass mich mal machen. Ich geb dir diesbezüglich dann in den
nächsten Tagen Bescheid. Allerdings muss ich dir noch etwas sagen, Ute.« Sie
verengte ihre Augen zu einem strafenden Blick. »Du kannst so mit deinem Mann
nicht auf der Baustelle umgehen.« Ihre Haltung versprühte weibliche
Fachkompetenz. »Männer brauchen gewisse Standards auf der Baustelle, sonst geht
da gar nichts vorwärts. Für Lagerfeld ist es schon schlimm genug, dass er dir
nicht mit handwerklichen Fähigkeiten imponieren kann, und dann kommst du ihm
auch noch mit Maßregelungen und disziplinarischen Maßnahmen. Ich weiß ja, dass
du recht hast«, als Ute etwas einwerfen wollte, hob Honeypenny die Hand, »aber
das bringt dich als Frau und euch als Bauherren auch nicht weiter, im
Gegenteil. Glaub mir, meine langjährige Lebenserfahrung mit fränkischen Männern
und deren Baustellen hat mich aufs Intensivste geschult!«
    Ute von
Heesen schlürfte missmutig ihren Kaffee. Auf das vermaledeite Baustellenthema
hatte sie jetzt eigentlich gar keine Lust.
    »Und was
für Standards sollen das sein, die Bernd braucht?«, fragte sie trotzdem.
Obwohl – eigentlich hatte sie ja alle Standards auf der Baustelle
festgelegt, das war sie von der HUK schon
jahrelang so gewöhnt. Sie war Chef der Revisionsabteilung, in der Genauigkeit
Trumpf war, und genauso sollte es auch auf der ersten Baustelle ihres Lebens
ablaufen. Und jetzt kam Honeypenny damit, dass sie etwas falsch gemacht hätte. Sie,
Ute von Heesen, sollte Standards vergessen haben? Völlig undenkbar.
    »Die BBB Standards«, dozierte Honeypenny mit verschränkten
Armen und fixierte Ute von Heesen mit dem Blick der unabänderlichen Tatsachen.
Die erwiderte zwar den Blick, verstand aber nur Bahnhof.
    »Bier,
›Bild‹, Beifall«, deklamierte Honeypenny.
    Die
Leiterin der Revisionsabteilung der HUK Coburg
verschluckte sich. Auf einen dramatischen Hustenanfall folgte die entrüstete
Erwiderung. »Bier? Bist du des Wahnsinns, Marina? Ich dulde doch keinen Alkohol
bei der Arbeit. Der setzt die Reaktionszeit nicht nur dramatisch herab, sondern
vermindert auch die Urteilsfähigkeit und macht müde!« Entsetzt schaute sie
Honeypenny an, während sich ihrer der nächste Hustenanfall bemächtigte. Erst
nachdem sie sich beruhigt hatte, konnte sie weitersprechen.
    »Und
›Bild-Zeitung‹? Das ist ja wohl das hirnloseste Blatt, was es auf diesem
Erdball zu kaufen gibt. Das alles kann nicht dein Ernst sein, Marina. Und wofür
soll ich denn, um Himmels willen, Beifall spenden, wenn Bernd beispielsweise
behauptet, er könne Fliesen kleben, und dann liegen die Dinger nach einer Nacht
Arbeit kreuz und quer in der Duschwanne. Das ist doch ein Witz!« Wieder musste
sie husten, während Honeypenny sie mit dem Lächeln des höheren Bewusstseins
bedachte.
    »Meine
liebe Ute, du hast von Baustellen wenig und von Männern gar keine Ahnung, wenn
ich das mal so offen sagen darf. Erstens: Ohne Bier geht auf einer Baustelle
gar nichts. Das ist der Treibstoff der Männer, das Benzin sozusagen. Bernd muss
es ja noch nicht einmal trinken, sondern nur wissen, dass es da ist oder ihn
wenigstens am Ende eines Arbeitstages erwartet. Das ist so ähnlich wie mit
einem
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