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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt
Autoren: Helmut Vorndran
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manche meinen, sondern eine hoch diffizile Wissenschaft. Ein
gelungener Garten ist nicht etwa das Produkt von schnödem Pflanzen oder
Aussäen. Nein, ein professioneller Garten ist das Ergebnis von jahrzehntelangem
Planen, Pflegen und Aufziehen der Gewächse. Nur mit dieser einzig wahren und
richtigen Philosophie kann ein gärtnerisches Meisterwerk entstehen. Alle, die
von diesem absoluten Weg der Reinheit und Klarheit abweichen, sind Ignoranten
und floristische Dilettanten. Leider habe ich seit Kurzem so einen als Nachbarn
beziehungsweise als Untermieter. Dieser Verblendete ist ein Ökoverbrecher. Ein
herbeigelaufener Kefirfresser, der meint, mit organisiertem Wildwuchs der
Ausbreitung des europäischen Urwaldes Vorschub leisten zu können. Ein
Bioterrorist, der sich als Speerspitze der unkontrollierten Aussaat begreift.«
    Lagerfeld
kam nicht mehr mit und schaute verzweifelt zu Huppendorfer, der dem Baron mit
offenem Mund ungläubig lauschte. Lagerfeld begann zu vermuten, dass durch die
ständige Inzucht der fränkischen Aristokratie sich beim Baron genetisch bereits
so einiges im Kreis drehte. Doch Rotenhenne war noch nicht fertig.
    »Ein
regelrechter Ordnungskiller der Kleingartenromantik ist das. Der steht zum
Beispiel auf dem Standpunkt, dass ein Garten nicht gemäht werden muss. Das
ganze Zeug wächst durch den Zaun hindurch auf meinen walisischen ›Queen
Bernadotte‹-Rasen. Und seine Drecksbiokräuter verstreuen seit Kurzem ungehemmt
ihre minderwertigen Gene unter meinen mühsam selektierten Spezialzüchtungen.
Der hat doch einen an der Waffel, dieser Wahnsinnige.« Einen kurzen Moment lang
holte er Luft und rang um Fassung, dann ging’s im selben Duktus weiter.
    »Der
Gipfel der Anarchie aber war das mutwillige Aussetzen von balinesischen
schwarzen Wühlmäusen. Er sagt, das wären Bodenlockerer und unverzichtbare
Bestandteile seines Ökosystems. Ha, von wegen Ökosystem! In Wirklichkeit sind
die Tiere hoch spezialisierte Präzisionswaffen. Mit denen kann man in jedem
Garten zielgerichtet jede Tulpenzwiebel oder Lilienstaude ausschalten. Die
Bundeswehr in Afghanistan würde den Typen um die Viecher beneiden, wenn sie von
ihnen wüsste. Allerdings ist sein hoch gepriesenes Ökosystem frank und fröhlich
dabei, sich auf illegale Art und Weise in meine Gartenkultur vorzuarbeiten,
verstehen Sie? Und jetzt haben diese balinesischen Killer auch noch meine
Lauchzwiebeln mit Namen ›Gräfin von Scheßlitz‹ erwischt. Sehen Sie sich das
an – alle hin! Bestialisch dahingemeuchelt!«
    Mit
Tränen in den Augen blickte er auf die ermordeten Zwiebeln zu Lagerfelds Füßen,
der ihn – genau wie Huppendorfer – nur stumm anstarrte. »Aber jetzt
hat das ein Ende. Jetzt werde ich Gegenmaßnahmen einleiten«, ereiferte sich der
Baron. »Da ich aus leidvoller Erfahrung weiß, dass auch eine noch so große
Drohkulisse bei diesem Ignoranten nichts nützt und die Bamberger Polizei sich
ja offensichtlich auch einen Teufel um derartige Verbrechen schert, habe ich
mich nun selbst auf die militärische Ebene begeben, um diesem Unrechtsregime
ein Ende zu bereiten. Ich bin nämlich im Besitz von Massenvernichtungswaffen.
Die gibt’s ganz legal im OBI . So eine Art
Milzbranderreger für Nagetiere und niedere Primaten. Für Menschen ist der
völlig ungefährlich, allerdings offensichtlich auch für die balinesischen
schwarzen Wühlmäuse. Die haben das Zeug fleißig eingeatmet, haben sich aber nur
kurz geschüttelt und dann ungerührt an meinen Lauchzwiebeln ›Gräfin von
Scheßlitz‹ weitergefressen. Dafür hat die Tochter meiner anderen Nachbarin
roten Ausschlag gekriegt, meinem Gegenüber-Nachbarn ist der Hund verreckt, und
an meinem Fuß hat sich eine unangenehm riechende Schuppenflechte entwickelt.
Bloß diese kleinen Biobagger werden einfach nicht krank, sondern wirken
regelrecht, als stünden sie unter Drogen. Als ob das Zeug sie eher noch
aufputscht. Ich habe wirklich alles probiert, Nervengas in die Bodenlöcher
eingeleitet, Ultraschallbehandlung und Rattengift, aber nichts hat geholfen.«
Verzweifelt hob er die Hände gen Himmel, als wollte er die Frühlingssonne
anbeten. »Immerhin habe ich für meinen Ökomieter, diesen Kiesler, mit seinem
floralen Schrottplatz, jetzt endlich die ultimative Lösung gefunden, ich
werde –«
    Plötzlich
klickte es laut und metallisch, Handschellen schlossen sich um die sich
vergeblich wehrenden Arme des erregten Barons und wurden mit einem zweiten Paar
von Lagerfeld am
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