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Der Codex

Titel: Der Codex
Autoren: Douglas Preston
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Vater nicht hier, um dich zu ve r korksen.«
    Borabay wollte etwas sagen, doch Broadbent hob Einhalt gebietend die Hand. »Kann man denn nicht mal auf seinem Totenbett eine Rede halten, ohne dass man ständig unte r brochen wird? Borabay, deine Brüder werden dir helfen, nach Amerika auszuwandern und die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Wenn du erst mal dort bist, wirst du zweifellos bald amerikanischer als unsere eigenen Eingeborenen sein.«
    »Ja, Vater.«
    Broadbent seufzte und schaute Sally an. »Tom, das ist die Frau, die mir leider nie begegnet ist. Wenn du sie von der Angel lässt, bist du ein Trottel.«
    »Ich bin aber kein Fisch«, sagte Sally spitz.
    »Ah! Genau das hab ich gemeint! Sie ist ja vielleicht ein bisschen widerborstig, aber sie ist eine bemerkenswerte Frau.«
    »Da hast du Recht, Vater.«
    Broadbent legte eine Pause ein. Er atmete schwer. Das Sprechen bereitete ihm M ü he. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
    »Ich schreibe jetzt mein Testament. Ich möchte, dass sich jeder von euch einen G e genstand aus der Höhle aussucht. Den Rest möchte ich, falls ihr ihn aus dem Land schaffen könnt, dem Museum oder den Museen stiften, die ihr b e stimmt. Wir fangen beim Ältesten an. - Borabay, du bist dran.«
    »Ich suchen zuletzt aus«, sagte Borabay. »Was ich will, sein nicht in Höhle.«
    Broadbent nickte. »Na schön. Philip? Aber das weiß ich auch so.« Sein Blick husc h te zur Madonna. »Der Lippi gehört dir.«
    Philip wollte etwas sagen, aber ihm fehlten die Worte.
    »Und jetzt Vernon.«
    Stille machte sich breit. »Ich hätte gern den Monet«, sagte Vernon schließlich.
    »Das hab ich mir schon gedacht. Du könntest wohl fün f zig Millionen oder mehr für ihn kriegen. Ich hoffe, dass du ihn wirklich verkaufst. Aber um eines bitte ich dich, Ve r non: Gründe keine Stiftungen. Verschenk kein Geld. Wenn du irgendwann gefunden hast, was du suchst, dann vie l leicht bist du so klug, um ein wenig von de i nem Geld zu verschenken. Ein wenig.«
    »Danke, Vater.«
    »Außerdem gebe ich euch einen Sack voller Edelsteine mit, damit ihr die Er b schaftssteuer bezahlen könnt.«
    »In Ordnung.«
    »Jetzt bist du dran, Tom. Wie lautet deine Wahl?«
    Tom schaute Sally an. »Wir hätten gern den Codex.«
    Broadbent nickte. »Eine interessante Wahl. Er gehört euch. Und jetzt bist du dran, Borabay. Was für eine geheimnisvolle Sache möchtest du haben, die sich nicht in der Höhle befindet?«
    Borabay trat an sein Lager und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Der alte Mann nickte. »Ausgezeichnet. Betrachte es als erledigt.« Er schwenkte den Kugelschreiber. Sein Gesicht war von Schweißperlen bedeckt. Sein Atem ging schnell und flach. Tom erkannte, dass er nicht mehr lange bei klarem Ver-
    stand sein würde. Er wusste, wie ein Tod durch Blutvergiftung aussah.
    »Und jetzt«, sagte Maxwell Broadbent, »lasst mich zehn Minuten allein, damit ich meinen letzten Willen aufschre i ben kann. Dann rufen wir Zeugen hinzu und bringen die Sache zu Ende.«

85
     
    Tom stand mit seinen Brüdern und Sally in einem kathedr a lenartigen Hain und be o bachtete die lange Prozession, die soeben über den gewundenen Weg zu der über dem Dorf ins Kalkgestein geschlagenen Gruft marschierte. Der Anblick war beei n druckend. Der verstorbene Maxwell Broadbent nahm die Spitze der Prozession ein - er wurde von vier Kriegern auf einer Bahre getragen. Man hatte ihn nach einem uralten Maya-Verfahren einbalsamiert. Wä h rend der Trauerfeier hatte der neue Tara-Häuptling ihn in El Dorado verwandelt, den Vergoldeten aus der Indianerl e gende. Genau so hatten die Mayas ihre Herrscher bestattet. Er hatte den Toten mit Honig bestrichen und anschließend mit Goldstaub besprüht. Er hatte ihn völlig eingehüllt, um ihm die unsterbliche Gestalt zu verleihen, die er im Jenseits annehmen würde.
    Der Bahre folgte eine lange Prozession von Indianern; sie trugen die Grabbeigaben: Körbe mit Trockenobst, Gemüse und Nüssen sowie Krüge mit Wasser und Öl. Dann kamen zahllose traditionelle Maya-Artefakte: Jadestatuen, bemalte Gefäße, Blattgol d teller, Krüge, Waffen, Köcher voller Pfeile, Netze, Speere - alles, was Maxwell Broa d bent im jenseitigen Leben vielleicht gebrauchen könnte.
    Schließlich hinkte ein Indianer mit einem Picasso-Gemälde um die Wegbiegung. Es stellte eine nackte g e hörnte Drei-äugige mit einem viereckigen Kopf dar. Ihm folgte, von zwei schwitzenden Indianern getragen, der schwergewichtige Pontormo mit der
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