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Der Codex

Titel: Der Codex
Autoren: Douglas Preston
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Brücke brennt, um Himmels willen!«
    Ein Lächeln legte sich auf das Gesicht des Leutnants. »Ja.«
    Wie aufs Stichwort fing die Brücke an zu schaukeln. Tom, sein Vater und seine Brüder wurden auf die Knie geschleudert. Ein Tau war gerissen und warf einen Fu n kenschauer in den Abgrund. Die Brücke wippte unter der plötzlich nachlassenden Spannung.
    Tom rappelte sich auf und half seinen Brüdern, ihren V a ter wieder auf die Beine zu hieven.
    »Ihr müsst uns vorbeilassen!«
    Der Leutnant antwortete mit einer dicht über ihnen d a hinfliegenden Salve. »Ihr sterbt mit der Brücke. Das ist mein Befehl! Die Weiße Stadt gehört jetzt uns!«
    Tom schaute sich um. Rauch und Flammen stiegen vom Mittelteil der Brücke auf. Sie wurden vom Aufwind g e speist. Dann sah er, dass das zweite Haltetau bereits im B e griff war, sich aufzudröseln. Schon spuckte es brennende Fasern in die Luft.
    »Festhalten!«, schrie er und packte seinen Vater.
    Das Tau riss mit einem gewaltigen Ruck, und der gesamte Brückenboden sank wie ein herabgelassener Vorhang nach unten. Sie klammerten sich an die beiden verbli e benen Taue und gaben sich alle Mühe, ihren geschwächten Vater festzuhalten. Die Brücke peitschte wie eine Sprungfeder hin und her.
    »Ob's nun Soldaten sind oder nicht«, sagte Tom. »Wir müssen von hier runter, ve r dammt noch mal.«
    Mit den Füßen auf dem unteren und den Händen am oberen Tau hangelten sie sich voran und halfen ihrem Vater, so gut sie nur konnten.
    Der Leutnant und die Soldaten traten zwei Schritte vor. »Fertig machen zum Fe u ern!« Die Männer knieten sich in eine stabile Schussposition und legten an.
    Tom und seine Familie waren nun noch sieben oder acht Meter von festem Boden entfernt. Die Soldaten konnten sie eigentlich nicht verfehlen. Er wusste: Sie hatten keine and e re Wahl. Sie mussten weitergehen, auf die Männer zu, die sie gleich töten würden.
    Das dritte Tau riss wie eine Sprungfeder. Der Rückstoß der Brücke hätte sie bein a he alle in die Tiefe geschleudert. Jetzt hingen die Trümmer nur noch an einem Tau und schwangen hin und her.
    Der Leutnant richtete sein Schießeisen auf sie. »Ihr sterbt jetzt«, bellte er auf En g lisch.
    Ein Knall ertönte, doch er kam nicht aus seiner Waffe. Auf dem Gesicht des Leu t nants war ein erstaunter Ausdruck. Dann schien er vor ihnen eine Verbeugung zu machen. Ein langer Pfeil steckte in seinem Hinterkopf. Unter den Sold a ten brach mit einem Schlag größte Verwirrung aus. Im gle i chen Moment kam vom Waldrand ein Heulen, das Tom das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dem Geheul folgte eine heft i ge Pfeilsalve. Tara-Krieger ergossen sich aus dem Dschungel. Sie rannten und spra n gen laut schreiend über das flache Gelände und feuerten im Laufen noch mehr Pfe i le ab. Die restlichen Soldaten, von diesem unerwarteten Flankenangriff völlig überrascht, warfen panisch ihre Wa f fen fort, um zu fliehen. Sie wurden jedoch auf der Stelle in menschliche Nadelkissen verwandelt, da Dutzende von Pfeilen sie trafen. Bevor sie zu Boden fielen, taumelten sie wie trunkene Stachelschweine umher.
    Kurz darauf erreichten Tom und seine Brüder festen Boden - exakt in dem M o ment, in dem das letzte Tau in einer riesigen Funkenwolke riss. Die beiden brennenden Brü c kenenden flogen träge auf die Wände der Schlucht zu, um wie ein brenne n der Trümmerregen gegen sie zu knallen.
    Es war vorbei. Die Brücke war nicht mehr.
    Tom schaute nach vorn und sah Sally, die sich gerade aus den Büschen erhob und auf sie zulief. Sie stützten ihren Vater und gingen ihr entgegen, wobei die Tara-Krieger i h nen halfen. Als sie Sally erreichten, schloss Tom sie in die Arme. Sie umarmten sich, und Kniich, der nun wieder s i cher in Toms Tasche saß, quäkte ungehalten, da er sich zw i schen ihnen großem Druck ausgesetzt sah.
    Tom schaute zurück. Die beiden im Abgrund hängenden Brückenhälften brannten noch. Ein halbes Dutzend Männer waren nun in der Weißen Stadt gefangen. Sie standen am Rand des Abgrundes und stierten die herabhängenden R e ste an. Dann stiegen wieder Dunstschwaden auf und ve r hüllten nach und nach die schweigenden, bestürzt drei n blickenden Gestalten.

83
     
    In der Hütte drinnen war es warm und roch leicht nach Rauch und medizinischen Kräutern. Tom trat ein. Vernon, Philip und Sally folgten ihm. Maxwell Broadbent lag mit geschlossenen Augen in einer Hängematte. Draußen qua k ten Frösche in der friedlichen Nacht. Unter den wachsamen Blicken
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