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Der Codex

Titel: Der Codex
Autoren: Douglas Preston
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meinen letzten Dollar für eine Mitgliedskarte ausgegeben und bin von da an jeden Tag ins Museum gegangen. Ich hab mich in den Laden verliebt. Was für eine Offenbarung! Ich hatte noch nie so schöne Dinge gesehen, solche ... Er schwenkte seine große Hand. Na ja, ihr wisst schon.
    »Und ob«, sagte Philip trocken.
    Es geht darum, dass ich mit nichts angefangen habe. Nada. Ich habe schwer gearbeitet. Ich hatte eine Vorstellung, wie mein L e ben weitergehen sollte - ein Ziel. Ich habe alles gelesen, was mir in die Hände fiel. Über Schliemann und die Entdeckung Trojas. Ü ber Howard Carter und die Entdeckung des Grabes von König Tutenchamun. Über John Lloyd Stephens und die Stadt Copán, die Ausgrabung der Villa der Rätsel in Pompeji. Ich habe davon geträumt, selbst Schätze dieser Art aufzustöbern, sie auszugr a ben, zu besitzen. Ich habe mich umgesehen: Wo auf der Welt gab es versunkene Grabstätten und Tempel, die man noch entdecken konnte? Die Antwort war: in Mittelamerika. Dort konnte man noch versunkene Städte finden. Dort gab es für mich noch eine Chance.
    Broadbent pausierte und öffnete ein auf seinem Schreibtisch stehendes Kästchen. Er entnahm ihm eine Zigarre, schnitt sie ab und zündete sie an.
    »Herrgott«, sagte Philip. »Der Alte ist unverbesserlich.«
    Broadbent schüttelte das Zündholz aus, warf es auf den Schreibtisch und grinste. Er hatte ansehnliche Zähne, sie glitzerten weiß. Ich werde ohnehin sterben. Warum soll ich meine letzten Monate also nicht genießen? Stimmt's, Philip? Rauchst du eigentlich noch immer Pfeife? An deiner Stelle würde ich es aufgeben.
    Er drehte sich um, ging erneut auf und ab und paffte blaue Wölkchen vor sich hin. Jedenfalls hab ich mein Geld g e spart, bis ich genug hatte, um nach Mittelamerika zu fahren. Ich bin nicht dorthin gegangen, um was zu verdienen - obwohl es, wie ich zugeben muss, zu meinem Plan gehörte -, sondern weil ich eine Leidenschaft hatte, und ich habe sie gefunden. Ich habe meine versunkene Stadt gefunden.
    Er fuhr herum, drehte sich, nahm seinen Marsch wieder auf.
    Das war der Anfang. Damit ging alles los. Ich hab nur mit Kunst und Antiquitäten gehandelt, um meine Sammelei zu f i nanzieren. Und schaut mal...
    Er blieb stehen, gestikulierte mit der offenen Handfläche auf die unsichtbaren Sammlungen, die ihn in diesem Haus umgaben.
    Schaut mal. Das ist das Ergebnis. Eine der größten Kunst- und Antiquitätensammlungen, die es in privater Hand auf der Welt gibt. Es sind nicht nur Gegenstände. Jedes dieser Stücke hat seine Geschichte, ist für mich eine Erinnerung. Wie ich es zum ersten Mal sah, wie ich mich in es verliebte, wie ich es erwarb. Jedes Teil ist ein Stück von mir.
    Er nahm einen Gegenstand aus Jade vom Schreibtisch und hielt ihn vor die Kamera.
    Wie dieser Olmec-Schädel, den ich in einem Grab in Piedra Lumbre fand. Ich erinnere mich noch genau an den Tag ...an die Hitze, die Schlangen ... und ich weiß noch, wo ich ihn zum ersten Mal sah, dort in dem staubigen Grab, in dem er zweitausend Ja h re lang geruht hatte.
    Philip schnaubte. »Klauen muss Spaß machen.«
    Broadbent legte den Gegenstand weg. Er lag zweitausend Jahre dort - ein Gegenstand von so erlesener Schönheit, dass man bei seinem Anblick am liebsten weinen möchte. Ich würde euch gern erklären, welche Gefühle ich empfand, als ich diesen makell o sen Jadeschädel dort im Staub liegen sah. Er wurde nicht dazu erschaffen, in der Finsternis dahinzuvegetieren. Ich habe ihn g e rettet und ihm das Leben zurückgegeben.
    Broadbents Stimme klang belegt. Er hielt inne, räusperte sich und neigte den Kopf. Dann tastete er nach der Lehne seines Sessels, setzte sich hin und legte die Zigarre in einen Aschenbecher. Schließlich wandte er sich wieder der Kam e ra zu und beugte sich über den Tisch.
    Ich bin euer Vater. Ich habe euch aufwachsen sehen. Ich kenne euch besser als ihr euch selbst.
    »Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Philip.
    Während eures Heranwachsens hat es mich bestürzt, in euch einen gewissen Standesdünkel zu sehen. Privilegien, die Kran k heit reicher Kinder. Das Gefühl, dass man sich nicht allzu sehr anstrengen, nicht allzu viel lernen, sich nicht bemühen muss, weil man ja der Sohn von Maxwell Broadbent ist. Denn irgende i nes Tages ist man ja reich, ohne einen gottverdammten Finger rühren zu müssen.
    Broadbent stand energisch und ruhelos erneut auf. Hört zu, ich weiß, dass es hauptsächlich meine Schuld ist. Ich habe euren Launen
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