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Der Codex

Titel: Der Codex
Autoren: Douglas Preston
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nicht«, sagte Vernon. »Er hat uns geliebt.«
    Philip stieß ein geringschätziges Schnauben aus.
    »Hat er sich nicht von deiner Mutter scheiden lassen?«
    »Du meinst wohl von unseren Müttern! Er hat sich von zwei Frauen scheiden lassen. Die dritte ist gestorben. Er hatte auch zwei Frauen, die keine Kinder von ihm haben - und jede Menge Freundinnen.«
    »Gab's irgendwelche Unterhaltsstreitigkeiten?«, fragte Fenton.
    »Natürlich«, erwiderte Philip. »Das ging endlos.«
    »Aber er hat Sie und Ihre Brüder allein aufgezogen?«
    Philip hielt inne. »Ja, auf die für ihn typische Art«, sagte er dann.
    Die Worte hingen in der Luft. Barnaby fragte sich, was für ein Vater er gewesen sein mochte. Aber es war wohl besser, bei der Sache zu bleiben: Die Zeit wurde knapp. Die Jungs von der Spurensicherung konnten jeden Moment eintreffen. Danach durfte er sich glücklich schätzen, den Fuß übe r haupt auf dieses Grundstück gesetzt zu haben.
    »Gibt es momentan eine Frau in seinem Leben?«
    »Nur zu Zwecken leichter körperlicher Betätigung in den Abendstunden«, sagte Philip. »Aber ich versichere Ihnen, die kriegt nichts.«
    »Glauben Sie, dass es unserem Vater gut geht?«, mischte Tom sich ein.
    »Um ehrlich zu sein, ich habe keinen Hinweis auf einen Mord gefunden. Wir sind im Haus nicht auf eine Leiche gestoßen.«
    »Könnte er entführt worden sein?«
    Barnaby schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Warum sollte man sich mit einer Geisel belasten?« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Ihm blieben vielleicht noch fünf Minuten, höchstens sieben. Es reichte, um die Frage zu stellen: »Ist das Zeug versichert?« Er stellte die Frage so beiläufig wie nur möglich.
    Philips Miene umwölkte sich. »Nein.«
    Nicht einmal Barnaby konnte seine Überraschung verbergen. »Nein?«
    »Im letzten Jahr habe ich versucht, eine Versicherung a b zuschließen. Doch niemand wollte die Sammlung vers i chern, solange sie sich ohne entsprechende Sicherheitsma ß na h men in diesem Haus befand. Sie sehen ja selbst, wie leicht man hier einsteigen kann.«
    »Warum hat Ihr Vater nicht für mehr Sicherheit gesorgt?«
    »Er war ein schwieriger Mensch. Niemand konnte ihm vorschreiben, was er tun sollte. Er hatte immer jede Menge Waffen im Haus. Ich schätze, er hat angenommen, er kön n te sich seiner Haut erwehren; wie im Wilden Westen und so.«
    Barnaby prüfte seine Notizen und warf einen erneuten Blick auf die Uhr. Er war verwirrt. Die Einzelteile passten nicht zusammen. Er war sich völlig sicher, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Raub zu tun hatten. Aber wenn das Zeug nicht versichert war ... Welchen Sinn hatte es dann, sich selbst zu bestehlen? Außerdem gab es da noch die identischen Briefe an die Söhne, die sie zu diesem Zei t punkt zu einem Treffen baten. Was hatte da noch mal g e standen? ... eine sehr wichtige Angelegenheit, die deine Zukunft betrifft ... Erweise deinem alten Herrn diese letzte Höflichkeit... Die Wortwahl hatte etwas sehr Zweideutiges.
    »Was befand sich in dem Safe?«
    »Sagen Sie bloß nicht, da waren die auch drin!« Philip griff sich mit bebender Hand an die schweißbedeckte Wa n ge. Sein Anzug wirkte nun zerknittert, und die Fassungsl o sigkeit auf seinem Gesicht sah echt aus.
    »Doch.«
    »Oh, Gott! Da waren Edelsteine und Juwelen drin. Und Gold aus Süd- und Mittelamerika. Außerdem seltene Münzen und Briefmarken, alle äußerst wertvoll.«
    »Offenbar hatten die Einbrecher nicht nur Schlüssel für alle Räume, sondern sie kannten auch die Kombination. Können Sie sich vorstellen, woher sie die hatten?«
    »Nein.«
    »Hatte Ihr Vater einen Vertrauten? Vielleicht einen A n walt, der einen Zweitschlüssel besaß oder die Safe-Kombination kannte?«
    »Er hat niemandem vertraut.«
    Das war ein wichtiger Punkt. Barnaby schaute Vernon und Tom an. »Sehen Sie das auch so?«
    Die beiden nickten.
    »Hatte er eine Haushaltshilfe?«
    »Er hatte eine Frau, die täglich kam.«
    »Einen Gärtner?«
    »Der war ständig hier.«
    »Sonst noch jemand?«
    »Er hatte einen Koch angestellt - und eine Pflegerin, die dreimal pro Woche nach ihm sah.«
    Nun mischte Fenton sich ein. Er beugte sich vor und lächelte auf die für ihn typische barbarische Weise. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Philip?«
    »Wenn's sich nicht vermeiden lässt?«
    »Wieso reden Sie eigentlich in der Vergangenheitsform über Ihren Vater? Wissen Sie etwas, das wir nicht wissen?«
    »Ach, um Gottes willen!«, explodierte Philip.
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