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Der Codex

Titel: Der Codex
Autoren: Douglas Preston
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»Kann mir denn niemand diesen Sherlock-Holmes-Verschnitt vom Hals schaffen?«
    »Fenton«, murmelte Barnaby und warf seinem Kollegen einen warnenden Blick zu.
    Fenton schaute ihn an. Als er Barnabys Blick sah, erstarrte seine Miene. »Verzeihung.«
    »Wo sind sie jetzt?«, fragte Barnaby.
    »Wer ist jetzt wo?«
    »Die Haushälterin, der Gärtner, die Köchin. Der Raub hat vor zwei Wochen stattgefunden. Irgendjemand hat das Hauspersonal entlassen.«
    »Der Raub fand vor zwei Wochen statt?«, sagte Tom.
    »Richtig.«
    »Aber ich habe den Brief doch erst vor drei Tagen per Eilboten bekommen.«
    Das war interessant. »Hat sich jemand die Absenderadresse gemerkt?«
    »Es war irgend so ein Kurierdienst wie Mail Boxes Etc.«, erklärte Tom.
    Barnaby dachte kurz nach. »Ich muss Ihnen mitteilen«, sagte er, »dass dieser angebliche Raub gewaltig nach Versicherungsbetrug stinkt.«
    »Ich hab doch schon gesagt, dass die Sammlung nicht versichert war«, erwiderte Philip.
    »Sie haben es erklärt, aber ich glaube es nicht.«
    »Ich kenne die Kunstversicherungsbranche, Lieutenant. Ich bin Kunsthistoriker. Die Sammlung war eine halbe Millia r de Dollar wert und stand einfach in einem Haus rum, das nur von einem technisch völlig überholten Sicherheitss y stem bewacht wurde. Mein Vater hatte nicht mal einen Hund. Ich sage Ihnen, die Sammlung war nicht versicherbar.«
    Barnaby schaute Philip eine ganze Weile an, dann wandte er sich den beiden anderen Brüdern zu.
    Philip stieß zischend die Luft aus und blickte auf seine Uhr. »Glauben Sie nicht, dass der Fall für die Polizei von Santa Fe eine Nummer zu groß ist, Lieutenant?«
    Wenn es kein Versicherungsbetrug war, was war es dann? Ein Raub war es jedenfalls nicht. In Barnabys Hirn bildete sich allmählich eine vage Idee. Eine echt bescheuerte Idee. Doch sie nahm gegen seinen Willen Gestalt an und entwickelte sich sogar zu einer Art Theorie. Er musterte Fenton kurz. Fenton hatte natürlich keinen Schimmer, denn trotz all seiner Fähigkeiten besaß er keinen Sinn für Humor.
    Dann fielen Barnaby der riesige Fernseher, der Videor e korder und die Kassette auf dem Boden wieder ein. Nein, sie lag nicht nur einfach da rum. Sie war gleich neben die Fernbedienung auf den Boden gelegt worden. Und was ha t te noch mal handschriftlich auf dem Etikett gestanden? SCHAU MICH AN.
    Das war es. Plötzlich passte alles zusammen. Barnaby wusste genau, was passiert war. Er räusperte sich: »Ko m men Sie mal mit.«
    Die drei Söhne folgten ihm ins Haus zurück - ins Wohnzimmer.
    »Nehmen Sie Platz.«
    »Was ist denn los?« Philip wirkte zunehmend gereizt. Sogar Fenton musterte Barnaby fragend.
    Barnaby hob die Kassette und die Fernbedienung auf. »Wir schauen uns jetzt ein Video an.« Er schaltete den Fer n seher ein und schob die Kassette in den Schlitz.
    »Wollen Sie uns verarschen?«, fragte Philip. Er weigerte sich, Platz zu nehmen. Sein Gesicht war gerötet. Seine Br ü der standen verdutzt neben ihm.
    »Sie stehen vor dem Bildschirm«, sagte Barnaby und set z te sich aufs Sofa. »Nehmen Sie doch Platz.«
    »Das ist doch unerhört ...«
    Ein plötzliches Geräusch aus dem Fernseher brachte Phi l ip zum Schweigen. Dann materialisierte sich das überl e bensgroße Gesicht von Maxwell Broadbent auf dem Bil d schirm. Alle drei setzten sich hin.
    Broadbents tiefe, volltönende Stimme hallte durch den leeren Raum.
    »Ich grüße euch aus dem Jenseits.«
     

4
     
    Tom Broadbent betrachtete das langsam schärfer werdende lebensgroße Abbild seines Vaters auf dem Bildschirm. Die Kamera fuhr schrittweise zurück und enthüllte, dass Maxwell Broadbent in seinem Büro hinter einem riesigen Schreibtisch saß und einige Papiere in seinen großen Hä n den hielt. Das Zimmer war noch nicht leer geräumt; das Lippi-Gemälde der Madonna hing noch hinter ihm an der Wand. In den Regalen stapelten sich Bücher, und die restl i chen Bilder und Statuen waren ausnahmslos dort, wo sie hingehörten. Tom zuckte zusammen: Sogar die elektron i sche Aufzeichnung seines Vaters schüchterte ihn ein.
    Nach der Begrüßung machte Maxwell Broadbent eine Pause. Dann räusperte er sich und richtete den Blick seiner blauen Augen genau auf die Kamera. Die Blätter, die er in der Hand hielt, zitterten leicht. Er schien unter starker A n spannung zu stehen. Dann schaute er auf die Papiere und las vor:
     
    Lieber Philip, lieber Vernon, lieber Tom, um die Sache kurz zu machen: Ich habe meinen Reichtum mit ins Grab genommen. Ich
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