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Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
Autoren: Kathryn Lasky
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Wissensbröckchen, das sie jemals über Wölfe gesammelt hatte. Zum Beispiel erinnerte sie sich lebhaft, wie sie einst von einem hohen Felsen aus zwei Rudel beim Jagen beobachtet hatte. Dass Wölfe anders jagten als Bären, war ihr dabei schnell klar geworden. Bären waren größer und kräftiger, aber Wölfe machten die mangelnde Stärke durch Klugheit wett. Bären jagten nicht in der Gruppe. Vielleicht hatten sie deshalb eine andere Art zu denken. Das Leben der Wölfe erschien ihr kompliziert und geheimnisvoll.
    Und Eulen , spann die Bärin ihren Gedankengang weiter, Eulen sind ja so klug! Eulen konnten sogar Werkzeug und Waffen herstellen. Sie hielten irgendwelche Gegenstände ins Feuer ihrer Schmieden und formten Krallen, die über ihre Zehen passten. Vielleicht , sagte sie sich plötzlich, sind Bären nicht so klug, weil sie größer sind. Größer als Wölfe und viel, viel größer als Eulen. Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke: Vielleicht bin ich nicht klug genug, um ein Wolfsjunges aufzuziehen.
    Bekümmert schaute sie zu dem kleinen Kerl zurück, während sie mit ihm nach Hause trottete. Faolan war todmüde und so wacklig auf den Beinen, dass er ständig von dem schmalen Trampelpfad heruntertaumelte. Wahrscheinlich war er sogar zu schwach, um sich an ihrem Buckel festzuklammern, wenn sie ihn huckepack nahm. Aber was half alles Grämen? Klug oder dumm, er hat nun mal nur mich , dachte sie seufzend. Sie drehte sich um und hob das Wolfsjunge hoch, indem sie seinen Kopf in ihr Maul nahm und den restlichen Körper in der Luft baumeln ließ. So hätte sie ein Bärenjunges getragen, das höchstens einen Mond alt war. Faolan war schon seit zwei Monden bei ihr. Trotzdem war er noch klein genug, dass sie ihn bequem im Maul tragen konnte.
    Morgen mussten sie sogar eine noch weitere Strecke bewältigen, um die Eichhörnchennester zu plündern, die mit Weißkiefernrinde ausgepolstert waren. Diese weiße Rinde, die den Eichhörnchen als Nistmaterial diente, war eine der reichsten Nahrungsquellen, die ihnen im Frühjahr zur Verfügung stand. Mit einigem Glück erwischten sie vielleicht sogar ein Eichhörnchen. Die Frühjahrsnahrung bestand hauptsächlich aus Gräsern, Wurzeln und Nüssen. Fleisch kam später, aber sie konnten zumindest hin und wieder auf Aas hoffen, denn so manches ältere Tier überlebte den harten Winter nicht. Selbst jetzt noch, als die Bärin Faolan zum Bau zurücktrug, schwang sie beständig den Kopf hin und her und witterte in alle Richtungen nach dem unverwechselbaren Geruch von verwesendem Fleisch.
    Die Bärin hatte für den Frühling und Sommer einen neuen Bau aufgestöbert, den schönsten, in dem sie je gelebt hatte. Er lag in einem Erlendickicht am Fluss in der Nähe eines Wasserstrudels, in dem es bald von Forellen wimmeln würde. Direkt am Eingang des Baus wuchsen Gletscherlilien, die mit ihren hellgelben Köpfen nickten. Das Steilufer zum Fluss hinunter war mit wilder blauer Iris übersät.
    Faolan war bereits eingeschlafen, als sie den Bau erreichten, aber er schlief nie so tief, dass er nicht auch saugen konnte. Die Bärin setzte sich mit ausgestreckten Beinen aufrecht hin und ließ Faolan saugen. Während der Kleine die Milch hinunterschlang, schaute sie zu, wie sich das lavendelblaue Zwielicht weich über das Land senkte. Die Wolken spiegelten sich in dem glasglatten Fluss wider. Alles war friedlich, ganz anders als in der Sturmnacht, in der Faolan zu ihr gekommen war. Die Bärin blickte auf den Kleinen hinunter, der von der Milch ganz benommen war.
    Immer wieder brachte er sie zum Staunen. Die gespreizte Pfote kam ihr gar nicht so merkwürdig vor, aber die schwache Zeichnung auf seinem Fußpolster, diese kreisenden Linien, ließen ihr keine Ruhe. Obwohl das Muster so undeutlich war, hatte es etwas geradezu Hypnotisches. Was bedeuteten die Linien? Und woher war Faolan gekommen? Warum hatte der Fluss ihn gerade ihr geschenkt? Fühlte er sich einsam? Wölfe waren schließlich Rudeltiere und keine Einzelgänger wie Bären. Aber wie sollte sie es anstellen, nicht nur eine Mutter, sondern ein ganzes Wolfsrudel für ihn zu sein? „Urskadamus!“, brummte sie leise vor sich hin.
    So viele Fragen gingen der Bärin durch den Kopf. Wölfe konnten nicht aufrecht sitzen wie Bären, das wusste sie. Also mussten sie ihre Jungen anders säugen, vielleicht im Liegen. Aber wie sollte sie das anstellen? Womöglich zerquetschte sie Faolan, wenn sie sich herumwälzte. Wölfe konnten sich auch nicht auf
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