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Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
Autoren: Kathryn Lasky
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die Macht dazu gehabt hätte, hätte sie das Wolfsjunge doppelt so groß gezaubert. Aber sie blieb still und reglos wie ein Fels. Kein Laut ging zwischen ihnen hin und her. Donnerherz konnte die ganze Zeit nur an die Nacht denken, in der sie ihn aus dem Fluss gezogen hatte, an diesen Lebensfunken, der beinahe erloschen war, aber immer noch flackerte. So viel Lebendigkeit, so viel Wildheit!
    Faolan fing etwas in ihrem Blick auf. Langsam drehte er den Kopf zu den Bärenjungen um, die sich jetzt gemeinsam schnaubend und lachend im hohen Gras wälzten. Plötzlich verwandelte sich der Körper des kleinen Wolfs. Das Zittern hörte auf. Er reckte den Kopf hoch in die Luft und trat in königlicher Haltung vor, mit aufgerichtetem Schwanz und wachsam spielenden Ohren. Die Mutter der beiden Bärenjungen erstarrte vor Angst. Dann streckte sie die Pfote aus und schlug nach dem Bärenjungen, das am nächsten bei ihr war. Der Kleine jaulte. Als seine Schwester vom Herumpurzeln aufschaute und Faolan entdeckte, schnappte sie nach Luft.
    Verwirrt beäugte die Bärenfamilie den Wolfswelpen. Wie konnte dieses winzige Geschöpf so furchterregend sein? Donnerherz war selbst verblüfft. Faolan war kein bisschen größer geworden, und doch wirkte er auf einmal dominant. Einen Augenblick war ihr Schützling zwischen zwei Welten gefangen gewesen, obwohl er die eine nie erlebt hatte. Es war, als hätte Faolan etwas sehr Wichtiges und sehr Altes wiederentdeckt, als sei er vom Geist eines unsichtbaren Rudels umgeben.
    Dann geriet sein Schwanz ganz leicht ins Wanken. Donnerherz trottete zu ihm hinüber, grunzte ihm zu, dass er ihr folgen solle, und ermunterte ihn mit einem leichten Klaps gegen die Schulter.
    Die Grizzlymutter blinzelte. Wer war dieses seltsame Geschöpf, das wie ein Wolf aussah, sich aber plötzlich genauso verhielt wie ein Bärenjunges?
    Faolan war nicht weniger verwirrt als die Bärenfamilie. Während er hinter Donnerherz hertappte, ging ihm nur ein Gedanke durch den Kopf: Ich bin anders. Ich bin anders. Ich bin anders.
    Auf dem Weg zurück zu ihrem Bau kamen sie an einem kleinen Flussarm vorbei, in dem sie vorher gefischt hatten. Das Wasser war still, ohne jede Strömung. Faolan hielt an und spähte auf die schimmernde Oberfläche hinunter. Donnerherz trottete zu ihm auf die Böschung hinauf, in der Hoffnung, dass er noch mehr Fisch entdeckt hatte. Stattdessen kräuselten sich ihre beiden Spiegelbilder in der dunklen Wasserfläche. Ich sehe ihr überhaupt nicht ähnlich. Ich sehe keinem Tier ähnlich, das ich kenne. Warum sind meine Augen so grün? Warum ist mein Gesicht so schmal? Donnerherz’ Gesicht ist riesig, breiter als meine Brust. Und ihr Fell ist so dick und dunkel. Meines ist viel zu hell.
    Endlich kamen sie in den Bau zurück und Faolan schnappte nach Donnerherz’ Zitze. Während er saugte, blickte er ihr ernst ins Gesicht. Sie sah eine Frage in seinen tiefen grünen Augen. Warum bin ich nicht wie du?
    Donnerherz knurrte sanft und leckte ihm als Antwort die Nase. Liebe , dachte sie, nur Liebe zählt . Aber sie sprach diese Worte nicht laut aus. Als Einzelgänger sind Bären eher zurückhaltend und geben starken Gefühlen nur selten Ausdruck – als würden diese dadurch entzaubert und abgeschwächt. Aber als sie in Faolans Augen schaute, begegnete der Wolfswelpe ihrem Blick, als hätte er die Bräuche der Bären erlernt. Eingehüllt in das tiefe bernsteinfarbene Licht von Donnerherz’ Augen verstand der kleine Wolf, dass er von seiner Milchgeberin geliebt wurde, als sei er ihr eigenes Junges.
    Lange würde er jetzt nicht mehr saugen können. Donnerherz spürte, dass ihre Milch versiegte. Zum Glück war ihre Lektion im Forellenfischen so erfolgreich verlaufen. Jetzt musste sie Faolan lehren, richtiges Fleisch zu erbeuten, rotes Fleisch. Das war vielleicht leichter, als sie gedacht hatte, denn der Wolfswelpe hatte die Bärenfamilie als Erster entdeckt. Er musste ihren Geruch schneller aufgenommen haben als sie selbst. Bei der Jagd nach rotem Fleisch war das für ihn von Vorteil. Donnerherz und Faolan schliefen in der wachsenden Tageshitze bis in den späten Nachmittag hinein.
    Donnerherz glaubte zu wittern, wie ein Bär sich näherte. Doch sie konnte sich nicht rühren. Ihre Glieder fühlten sich bleischwer an . Es war, als sei sie in den Kaltschlaf gesunken. Es ist doch nicht Winter, dachte sie verwirrt. Ich muss mich bewegen. Meine Jungen … meine Jungen. Aber wenn ich im Kaltschlaf bin, dann ist doch nicht
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