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Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
Autoren: Kathryn Lasky
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ihren Hinterbeinen aufrichten. Das war bedauerlich, weil man auf diese Weise viel besser sehen konnte. Zu dumm, dass Faolan es nicht konnte! Oder sollte sie ihn vielleicht lehren, wie man aufsteht und ein paar Schritte auf den Hinterbeinen geht? Einen Versuch war es zumindest wert. Wieder blickte sie auf Faolan hinunter, drückte ihn an sich und beschnüffelte ihn. Sie musste damit rechnen, dass andere Bären misstrauisch wurden. Aber das kümmerte sie nicht. Sollten sie doch denken, was sie wollten.
    Faolan strampelte ein wenig und sank noch tiefer in seinen milchsatten Schlaf. Inzwischen war er an die donnernden Geräusche aus dem Inneren der Grizzlybärin gewöhnt – die Windzüge ihrer Gedärme beim Verdauen, das bellende Ein und Aus ihres Atems und vor allem das gewaltige Klopfen ihres riesigen majestätischen Bärenherzens. Das Geräusch durchrieselte Faolans kleinen Körper, während er selig und von Milchträumen gewiegt schlummerte. In seiner Vorstellung war die Bärin nicht mehr nur die Milchgeberin, sondern „Donnerherz“.

Im ersten Licht der Morgendämmerung schleuderte Donnerherz Faolan ohne Umschweife von ihrem Schoß und gab ihm einen sanften Nasenstüber auf sein Mäulchen. „Schau zu, was ich mache!“
    Sie verließ den Bau und er folgte ihr die Uferböschung hinunter zu einem Felsblock, der ins Wasser gerutscht war. Es war seine erste Lektion im Fischen. Um diese Zeit des Mondzyklus begannen die Forellen in dem Wasserstrudel beim Felsen zu schwärmen. Fischen erforderte Geduld. Donnerherz wusste, dass Wolfswelpen genau wie Bärenjunge kaum etwas davon besaßen – und Faolan schon gar nicht. Aber er lernte rasch. Donnerherz hoffte, dass er geschickt genug für die Technik des Fischens war.
    Im Herbst, wenn die Lachse ihren Laichzug flussaufwärts antraten, wurde das Fischen natürlich einfacher. Dann musste man nur oberhalb eines kleinen Wasserfalls in den Bach waten und die Lachse abfangen, wenn sie hinaufschnellten, um in ihre Laichgründe zu gelangen. In ihrem Fortpflanzungsdrang, der sie ganz benommen machte, waren Lachse eine leichte Beute. Ganz anders als Forellen. Da sie um diese Zeit keinen Laichtrieb verspürten und folglich auch nicht flussaufwärts schwammen, stellten sie eine echte Herausforderung dar. Aber egal, Faolan musste es lernen. Er musste unbedingt zunehmen und kräftiger werden.
    Geduldig spähte Donnerherz in das bernsteinfarbene Wasser und hielt nach dem ersten Aufblitzen einer Forelle Ausschau. Faolan neben ihr wurde unruhig. Sie wusste, dass er nicht mehr lange stillhalten konnte. Aber es kamen keine Fische. Das Wolfsjunge winselte ein wenig und schwang den Kopf zu einem Riedgrasbüschel hinüber, das in der Nähe wuchs. Die Bärin grunzte ihre Erlaubnis. Jetzt musste sie nicht nur die Fische, sondern auch den Welpen im Auge behalten.
    Aber Faolan war glücklich. Im Riedgras konnte er nach Herzenslust Maden und Käfer fangen, besonders Marienkäfer, die ein besonderer Leckerbissen für Bären und jetzt auch für Faolan waren. Bald entdeckte er ein Nest und quiekte vor Entzücken.
    Als er den Kopf hob, war seine Schnauze über und über mit roten Pünktchen gesprenkelt. Im selben Moment blitzte eine Forelle vor Donnerherz auf. Mit einem lauten Platscher hieb die Bärin ihre Vorderpfote ins Wasser, packte die Forelle und klatschte sie auf den Fels. Eine Blutfontäne schoss in die Luft und zerstäubte zu winzigen roten Lichtsplittern, die in der aufgehenden Sonne funkelten.
    Faolan erstarrte. Er witterte … Blut. Gierig hefteten sich seine Augen auf die wirbelnden Tröpfchen, die grell im Morgenlicht glitzerten. Sein Herz raste. Er spürte ein Prickeln im Maul und seine Zunge wurde plötzlich feucht. Ein neuer Hunger überwältigte ihn, ein Hunger, der tief in seinem Inneren erwachte. Er starrte Donnerherz ehrfürchtig an. Wild schüttelte er den Kopf, um sich von den lästigen Marienkäfern zu befreien, und trottete unterwürfig zu ihr hinüber.
    Er senkte den Kopf, duckte sich tief hinunter, legte die Ohren an und ließ das Weiße in seinen Augen aufblitzen. Donnerherz schnaubte ihm leise zu. „Was machst du?“, fragte sie. Nie war ihr Faolan wölfischer erschienen und doch begriff sie instinktiv, dass er ihr Respekt zollte. Aber wo hatte er das gelernt?
    Die Grizzlybärin kannte die Antwort: Blut. Mit dem aufgeschlitzten Fischkörper hatte sie Faolans Blutdurst erweckt. Das war bei Bärenjungen genauso, aber Donnerherz’ Junge hatten sich nie so verhalten.
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