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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Autoren: Lian Hearn
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worden war. Dann war Matsuda Shingen zum Erleuchteten gerufen worden, dem er jetzt im Tempel von Terayama diente.
    Inzwischen war Jato an Shigerus Vater übergegangen und eines Tages würde es Shigeru gehören.
    Ãœber ihren Köpfen hingen Schnitzereien der langnasigen Kobolde, die im Berg wohnten. Kiyoshige schaute zu ihnen hinauf und sagte: »Matsuda Shingen wurde von Kobolden im Schwertkampf unterrichtet. Deshalb kam ihm keiner zu nahe.«
    Â»Ich wünschte mir, ich könnte von Kobolden lernen!«, sagte Takeshi.
    Â»Lord Irie ist ein Kobold«, erwiderte Kiyoshige lachend – ihr Lehrmeister im Schwertkampf hatte tatsächlich eine ungewöhnlich lange Nase.
    Â»Aber die Kobolde könnten dir alles Mögliche beibringen, das Irie nicht kann«, sagte Takeshi. »Zum Beispiel, wie man sich unsichtbar macht.«
    Es gab viele Geschichten über Menschen mit seltsamen Fähigkeiten, über einen Stamm von Zauberern. Die Jungen kamen immer wieder darauf zu sprechen, mit einem gewissen Neid, denn ihre eigenen Talente zeigten sich nur langsam und nach strengem Training. Zu gern hätten sie sich ihren Lehrern durch Unsichtbarkeit oder andere magische Künste entzogen.
    Â»Können Menschen das wirklich?«, fragte Shigeru. »Oder bewegen sie sich nur so schnell, dass es aussieht, als wären sie unsichtbar. Wie Lord Iries Stange, wenn sie dich trifft!«
    Â»Wenn es Geschichten darüber gibt, dann muss es irgendjemand zu irgendeiner Zeit gekonnt haben«, sagte Takeshi.
    Kiyoshige widersprach ihm. Sie flüsterten, denn die Zauberer vom Stamm konnten auch aus der Ferne hören und sehen. Die andere Welt mit Kobolden, Geistern und übermenschlichen Kräften lag neben ihrer eigenen; gelegentlich wurde die Membran zwischen beiden Welten dünner und schließlich durchlässig. Es gab auch Geschichten von Menschen, die sich in die andere Welt verirrt hatten und bei ihrer Rückkehr feststellen mussten, dass in einer einzigen Nacht hundert Jahre vergangen waren. Oder von Wesen, die vom Mond oder dem Himmel kamen, wie Frauen aussahen und Männer dazu brachten, sich in sie zu verlieben. Es gab angeblich eine Straße nach Süden, wo eine wunderschöne Frau mit schlangengleichem langem Hals junge Männer in den Wald lockte und sich von ihrem Fleisch ernährte.
    Â»Hiroki hat oft aus Angst vor den Kobolden geweint«, sagte Kiyoshige. »Und jetzt lebt er hier mitten unter ihnen!«
    Â»Er weint über alles«, sagte Takeshi verächtlich.

KAPITEL 5 

    Isamus Leiche wurde zuerst von fallenden Blättern und dann von Schnee begraben, sie blieb unentdeckt bis zum folgenden Frühjahr, als die Dorfjungen in den Bergen nach Kräutern und Vogeleiern suchten. Bis dahin war sein Mörder, sein Cousin Kotaro, längst zurück in Inuyama, der Clanhauptstadt von Iida Sadayoshi und den Tohan, wo er Produkte aus Sojabohnen herstellte, Geld verlieh und sich beinah wie jeder andere Kaufmann in der Stadt verhielt. Kotaro erzählte niemandem genaue Einzelheiten, er berichtete nur von der ausgeführten Hinrichtung und Isamus Tod und versuchte die ganze Angelegenheit mit seiner üblichen Gefühlskälte zu verdrängen, doch nachts erschien Isamus Gesicht vor seinen Augen und er wurde oft von dem furchtlosen und unverständlichen Gelächter seines Cousins geweckt. Die Tatsache, dass Isamu sich nicht verteidigt, sondern von Vergebung und Gehorsam zu irgendeinem Herrn geredet hatte, quälte ihn. Der Tod hatte seinen Rivalen, den Verräter, nicht ausgelöscht, er hatte ihn mächtiger und tatsächlich unbesiegbar gemacht.
    Kotaro gebot über ein Netzwerk von Spionen, denn der Stamm operierte überall in den Drei Ländern und arbeitete zu dieser Zeit hauptsächlich für die Familie Iida, die ihren Zugriff auf den Osten festigte und überlegte, wie sie sich ins Mittlere Land und darüber hinaus ausdehnen könnte. Die Familie Iida beobachtete scharf die Otori, die sie mit Recht als ihre wichtigsten Rivalen betrachtete. Die Clans im Westen waren nicht so kriegerisch und schlossen bereitwilliger Bündnisse durch Heirat. Zudem war das Mittlere Land reich, hatte viele Silberminen und beherrschte Fischerei und Handel im Nord- und Südmeer. Die Otori würden es nicht ohne Weiteres aufgeben.
    Kotaro holte Auskünfte ein über die Dörfer, in deren Nähe er Isamu verfolgt hatte. Keines davon war auf irgendeiner
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