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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese
Autoren: Henning Mankell
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sie es für nötig halten. Die Ärztin auch.«
     
    »Wer ist sie?«
     
    »Eine Vertretung. Dies ist bestimmt ihr erster Tatort. Sie hat schon Hilfe angefordert.« 
    »Und du selbst? Was brauchst du?« 
    »Als Erstes Anweisung von dir, ob wir uns auf etwas Bestimmtes konzentrieren sollen. Dann muss natürlich das Reichskriminalamt reagieren.« 
    »Was meinst du, worauf wir uns konzentrieren müssten?«
     
    »Du leitest die Voruntersuchung, nicht ich.«
     
    »Das Einzige, worum es geht, ist, dass wir die Person finden, die das getan hat.«
     
    »Oder die Personen. Wir können nicht ausschließen, dass es sich um mehrere Täter handelt.« »Wahnsinnige arbeiten selten im Team.« 
    »Aber wir können es nicht ausschließen.« 
    »Gibt es etwas, was wir ausschließen können?« 
    »Nichts. Nicht einmal, dass es eine Wiederholung geben kann.« Robertsson nickte. Sie schwiegen. Auf der Straße und zwischen den Häusern bewegten sich Menschen. Da und dort zuckte ein Blitzlicht auf. Über dem Toten im Schnee war ein Zelt errichtet worden. Weitere Fotografen und Journalisten waren eingetroffen. Jetzt war auch das erste Fernsehteam da. »Ich möchte, dass du mitkommst zur Pressekonferenz«, sagte sie. »Da kann ich nicht allein hingehen. Und sie muss noch heute stattfinden. Am späten Nachmittag.«
     
    »Hast du mit Ludde gesprochen?«
     
    Tobias Ludwig war der Chef der Ortspolizei in Hudiksvall. Er war jung und nie als Polizist tätig gewesen. Nach dem Jurastudium hatte er sofort eine Ausbildung für zukünftige Polizeichefs begonnen. Weder Sten Robertsson noch Vivi Sundberg konnte ihn leiden. Er hatte wenig Sinn für die Polizeiarbeit vor Ort und widmete seine Zeit vor allem Grübeleien über interne Verwaltungsangelegenheiten der Polizei. »Ich habe nicht mit ihm gesprochen«, sagte sie. »Das Einzige, worum er uns bitten wird, ist, dass wir alle Formulare besonders korrekt ausfüllen.«
     
    »So schlimm ist er nicht«, entgegnete Robertsson. »Nein, er ist noch schlimmer«, sagte Vivi Sundberg. »Aber ich rufe ihn an.« 
    »Tu es gleich!« Sie rief im Polizeipräsidium in Hudiksvall an und erhielt
     
    die Information, dass Tobias Ludwig sich auf Dienstreise nach Stockholm befand. Sie bat die Vermittlung, ihn auf seinem Handy zu suchen.
     
    Zwanzig Minuten später meldete er sich.
     
    Robertsson sprach mit einigen gerade eingetroffenen Kriminaltechnikern aus Gävle. Vivi Sundberg war in dem Haus, in dem Tom Hansson und seine Frau Ninni wohnten. Die beiden hatten in alten Militärparkas draußen auf dem Hof gestanden und dem Treiben zugesehen.
     
    Ich muss mit den Lebenden anfangen, dachte sie. Mit Julia kann man nicht reden, sie hat sich in ihre innere Welt zurückgezogen. Zumindest für mich ist sie nicht zugänglich. Aber Tom und Ninni können Zeugen von etwas sein, was sie selbst gar nicht wissen.
    Das war eine der wenigen Überlegungen, die sie bisher hatte anstellen können. Ein Täter, der sich vornimmt, ein ganzes kleines Dorf auszurotten, muss selbst dann, wenn er wahnsinnig ist, einen Plan gehabt haben.
     
    Sie stand draußen auf der Straße und sah sich um. Der zugefrorene See, der Wald, die Berge, die sich am Horizont wellenförmig abzeichneten. Woher ist er gekommen? Ich glaube, ich kann davon ausgehen, dass dies keine Frau getan hat. Aber aus irgendeiner Richtung muss er oder müssen sie gekommen und in irgendeine Richtung auch wieder verschwunden sein.
     
    Gerade als sie durchs Gartentor hineingehen wollte, hielt ein Auto neben ihr. Es war einer der angeforderten Hundeführer.
     
    »Kommt nur einer?« fragte sie, ohne ihre Irritation zu verbergen.
     
    »Karpen ist krank«, sagte der Polizist mit dem Hund. »Können Polizeihunde krank werden?«
     
    »Offensichtlich. Wo soll ich anfangen? Was ist überhaupt passiert? Es ist von vielen Toten die Rede.« »Sprich mit Hudden. Versuch dann zu sehen, ob der Hund irgendeine Witterung aufnimmt.«
     
    Der Polizist wollte noch mehr fragen, aber sie wandte sich ab. Ich sollte das nicht tun, dachte sie. Gerade jetzt sollte ich für alle Zeit haben. Ich darf mir nicht anmerken lassen, dass ich gereizt und nervös bin. Keiner, der das hier sieht, wird es jemals vergessen. Viele werden traumatisiert sein. Sie nahm Tom und Ninni mit ins Haus. Sie hatten sich noch nicht gesetzt, als Vivis Handy klingelte.
     
    »Ich habe gehört, dass du mich gesucht hast«, sagte Tobias Ludwig. »Du weißt doch, dass ich nicht gestört werden will, wenn ich bei einer
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