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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist
Autoren: Sean Costello
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hatte, aber
sehr alt roch.
    Als Nächstes
bemerkte sie das Blut. Während sie ihre Augen so weit aufriss, dass sie rund
wie Porzellantassen wurden, wäre sie beinahe ohnmächtig geworden. Hinten in
ihrer Kehle sammelte sich Galle, angeekelt stöhnte sie leise auf.
    So viel
Blut... Noch nie im Leben hatte sie so viel Blut gesehen.
    Ihre tief
religiösen Ängste machten sich in einem erschrockenen Schrei Luft und drängten
sie zum Zimmereingang zurück, wo sie stehen blieb. Gleich darauf machte sie
kehrt: Wenn sie das hier nicht beseitigte, würde sie vielleicht die Arbeit
verlieren. Und das konnte sie sich nicht leisten, gerade jetzt nicht, wo Gino
mit dem Studium anfing.
    Heftig atmend
machte sich Maria ans grässliche Werk. Sie begann damit, dass sie sich den
Fußboden vornahm und aufwischte. Es verblüffte sie, wie schwer es war, das Blut
von den Fliesen zu schrubben. Ihr wurde fast schlecht davon. Selbst an der
Zimmerdecke klebte Blut.
    Dio buono!
    Während sie
schrubbte, konnte sie nicht umhin, sich im Kopf die einzelnen Szenen des
Verbrechens auszumalen. Gott, dachte sie, ich kenne diesen Dr. Bowman
doch. Er hat immer wie ein solch netter Mann gewirkt und sich sogar die Zeit
genommen, mit dem Reinigungspersonal zu reden. Hat uns das Gefühl gegeben, auf
einer Stufe mit ihm zu stehen. Nie im Leben hätte ich ihn für wahnsinnig
gehalten. Aber einen hilflosen alten Mann auf diese Weise umzubringen ... Was
kann ihn nur dazu getrieben haben?
    Während ihre
stämmigen Beine sie kaum noch trugen, beugte sich Maria vor, um unter dem Bett sauber
zu machen. Als sie zum dritten Mal schnell darunter fuhr, erwischte der Mopp
eine zusammengeknüllte Papierkugel. Fast hätte sie die Kugel in den großen
Müllsack geworfen, der an ihrem Karren befestigt war; doch dann hielt sie inne
und entfaltete das Papier, da sie sich daran erinnerte, dass der alte Mann
Künstler gewesen war.
    Mit verwirrter
Miene musterte sie die Zeichnungen eine Minute lang und legte sie danach zur
Seite. Später, wenn sie hier fertig war, würde sie das Blatt der
Krankenschwester geben. Was für ein Verbrechen, dachte sie und schwang
ihren Mopp zur Decke empor. Ein hilfloser alter Mann, der so begabt gewesen
ist...
    Der Mann, der
Vince Bateman gegenüber saß - er zeigte bereits Ansätze zur Glatze und hatte
ein vogelartiges Gesicht blätterte fast ehrfürchtig durch den dicken Stapel von
Zeichnungen. Peter Lloyd leitete die Psychiatrische Abteilung am
Penatanguishene, der Landesklinik für geistig behinderte oder geistesgestörte
Menschen, die straffällig geworden waren.
    Bateman, in
elegantes Glencheck gewandet und adrett wie immer, ging hinter seinem
Schreibtisch auf und ab. »Seit der Tat hab ich bestimmt schon ein dutzend Mal
mit Bowman gesprochen, und er besteht immer noch darauf, dass seine Geschichte
die reine Wahrheit ist. Seine Wahnvorstellungen sitzen tief, Peter. Anfangs
dachte ich, sie könnten einfach eine Art Reaktion sein - schließlich hat er
seine Frau verloren und beinahe auch noch sein einziges Kind. Aber er weigert
sich, von der Vorstellung abzurücken, dass der alte Mann irgendein böser Magier
gewesen ist. Ein Magier, der sich für den Tod seiner Enkelin ... oder Tochter
... an ihm gerächt hat. Bowman hat auch irgendetwas Übles von Inzest
dahergeschwafelt .«
    Dr. Lloyd
musterte Bateman über die halben Brillengläser hinweg. »Wie hat Bowman bei
seiner Vorstrafe überhaupt die Zulassung zur Medizinischen Hochschule geschafft ?«
    »Er hat
Fahrerflucht begangen, ist gemeinsam mit seinen Freunden getürmt ... Sofern man
diesem Teil seiner Geschichte Glauben schenken möchte .«
    Lloyd
schüttelte mit einer Müdigkeit, die tief in seinen Augen lag, den Kopf. »Was
ist mit seiner Tochter geschehen ?«
    »Sie hat sich
wieder erholt. Offenbar haben die Ärzte und Schwestern in Massachusetts nicht
damit gerechnet, zumindest nicht mit einer vollständigen Genesung. Derzeit
wohnt sie bei Verwandten .«
    »Durfte er sie
schon sehen ?«
    »Nein, noch
nicht. Er hat immer noch Phasen, in denen er außerordentlich gewalttätig ist,
trotz aller Medikamente. Hat Halluzinationen und Albträume und behauptet, der
alte Mann sei mit ihm da drinnen. Ich habe ihm persönlich versichert, dass es
seiner Tochter gut geht, aber er will es nicht glauben. Ihre Leute werden
selbst entscheiden müssen, wann der beste Zeitpunkt für einen Besuch des
Mädchens gekommen ist .«
    »Hmmm«,
sinnierte Lloyd und warf nochmals einen Blick auf die Zeichnungen. »Was
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