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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist
Autoren: Sean Costello
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selbstverständlich hatte Bateman sein Veto eingelegt,
    Scott drängte
sich durch den Hauptgang, schoss ins Schwesternzimmer, das momentan leer war,
ging zu der Kartei auf dem Schreibtisch hinüber und machte sich ans
Durchblättern, um nach der neuen Zimmernummer des Alten zu suchen.
    »Kann ich
Ihnen helfen ?« , fragte eine argwöhnische Stimme in
seinem Rücken.
    Scott
ignorierte sie und blätterte die Kartei weiter durch, wobei er das
unkontrollierte Zittern seiner Hände verfluchte.
    »Dr. Bowman ?« , fragte die Stimme. »Sind Sie das ?«
    »In welchem
Zimmer ist der Zeichner untergebracht ?« , fragte Scott
und wandte den irren Blick der Schwester zu.
    Genau wie die
Empfangsdame auf der Station Two Link fuhr die Frau zurück. Sie reagierte
damit, dass sie eine Krankenakte aus der Kartei zog und ihm zuwarf. Scott
schlug sie hastig auf und suchte nach der telefonischen Anweisung, die er Maris
MacDonald gegeben hatte. Wie es die Vorschrift verlangte, hatte Mavis Scotts
Arzneimittelverordnung eingetragen und unterschrieben. Aber im Feld darunter
stand eine weitere Anweisung, die im Unterschied zu der oberen mit sauberer
Füllerschrift eingetragen war, und sie besagte: Obige Anweisung ignorieren.
Verlegen Sie den Patienten in die Psychiatrie, gezeichnet Dr. med. V. Bateman.
    Der Zeichner
befand sich in 117, einem Privatzimmer am Ende des Ganges.
    Hastig
durchquerte Scott den Gang, bis sich sein Magen vor Angst zusammenzog und er,
wieder einmal überwältigt von diesem seltsamen Gefühl der Irrealität, dem
Gefühl, im Leeren zu schweben, sein Tempo drosselte. Er holte tief Luft und
kämpfte um Orientierung. Der Gang war ihm vertraut. Fast täglich war er hier
entlanggegangen, seit die Klinik vor mehr als acht Jahren eröffnet worden war.
Sein Büro lag am Ende eines ähnlichen Korridors, nur eine Treppe tiefer. In
diesem Gebäude hatte er seinen Lebensunterhalt verdient. Es war ein guter Ort,
ein sicherer Ort, ein vernünftiger Ort. Aber war dieser Ort real? War überhaupt
irgendetwas real?
    Der Flug von.
Boston hierher, selbst die Fahrt vom Flughafen in die Stadt waren in der
konkreten Erinnerung bereits verblasst und wirkten jetzt eher wie ein Traum. Er
wusste nur noch, wie er auf dem Parkplatz des Flughafens in Kristas Chevette
eingestiegen war. Daran erinnerte er sich mit schrecklicher Deutlichkeit. An
den Duft ihres Parfüms, der immer noch im Wagen hing. An die Gegenstande,
inzwischen bedeutungslos, die sie früher aufgrund ihrer Persönlichkeit mit
Leben erfüllt hatte: die punkige, mit Strass-Steinen verzierte Sonnenbrille,
die sie vergessen hatte, mit nach Boston zu nehmen; das ungeöffnete Päckchen
von Trident-Kaugum-mi auf der Ablage des Armaturenbrettes; die hauchdünne
Nylon-Strumpfhose auf dem Rücksitz, immer noch in ihrer Verpackung ...
    kratz,
kratz ... kratz, kratz, kratz ...
    Scott machte
sich auf den Weg, blieb vor dem Eingang zu Zimmer 117 jedoch wie angewurzelt
stehen und fröstelte innerlich vor böser Vorahnung. Die letzten paar Schritte
schaffte er nur, indem er den Rücken fest an die Wand presste.
    Der Künstler
saß im Rollstuhl am Fenster, dessen Jalousien heruntergelassen waren. Er wandte
Scott den Rücken zu und zeichnete; das Geräusch des Bleistifts schien den
ganzen Raum zu erfüllen.
    Und plötzlich
wurde Scott klar, dass er es nicht fertig bringen würde, dem Alten
gegenüberzutreten. Vielleicht war er wirklich der Racheengel eines erzürnten
Gottes ... Schließlich hatte sich Scott ja wirklich versündigt, hatte ein
hilfloses Kind umgebracht und sich danach feige aus dem Staub gemacht.
    Er bringt
mich um, Daddy ...
    Nein, das
musste aufhören, und zwar sofort. Ob Gott, Dämon oder einäugiger Alien: Er
würde sich ihm stellen.
    Atemlos
stürmte Scott ins Zimmer und entriss den mörderischen Händen das Klemmbrett.
Der Zeichner - Nicholas Rowe - rührte sich nicht, zuckte nicht einmal mit der
Wimper. Er sabberte nur, während seine schwarzen Augen .ohne zu
    zwinkern ins
Leere starrten. Scott ließ den Blick über die beiden vollendeten Zeichnungen
schweifen - aber genau wie die Friedhof-Serie wirkten diese Skizzen auf den
ersten Blick mit nichts Realem verbunden, jedenfalls mit nichts, das Scott
irgendetwas bedeutete. Die erste Zeichnung zeigte einen Richter, der sich mit
grimmiger Miene die Verteidigungsrede eines Mannes anhörte, der in altmodischer
Gefängniskleidung steckte. Auf dem zweiten Cartoon hielten zwei Wärter den
Gefangenen fest, während der Richter das Urteil
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