Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bund der Drachenlanze - 10 Ellen Porath

Der Bund der Drachenlanze - 10 Ellen Porath

Titel: Der Bund der Drachenlanze - 10 Ellen Porath
Autoren: Das Schloß im Eis
Vom Netzwerk:
Das stahlharte Material konnte zu Schabern, kleinen Messern und sogar Näh- und Stricknadeln
verarbeitet werden, doch nur der Verehrte Kleriker konnte
den Gewinn der großen Stücke überwachen, die für die
traditionelle Waffe Des Volks geeignet waren: die Streitaxt,
die man Frostsplitterer nannte. Terve wickelte selbst die
kleinsten Stückchen in gegerbte Seevogelhaut und legte sie
ehrfürchtig in den Korb, den sie aus Walroßdarm geflochten hatte.
Irgendwann meldete sich Terve natürlich doch wieder.
»Warum heißt es beim Volk Splittererfels, Haudo? Wer war
Splitterer? Außerdem ist es Eis, kein Fels.«
Haudo grinste angesichts der Kürze von Terves selbstauferlegtem Schweigen, doch er antwortete freundlich.
Haudo stammte aus dem Clan der Erzähler, so daß es seine
Aufgabe war, die vielen tausend Geschichten auswendig
zu lernen, aus denen die mündlich überlieferte Geschichte
des Eisvolks bestand. Wenn er jetzt die Geschichte von
Splitterer erzählte, war das eine gute Gelegenheit zu üben,
auch wenn die kleine Terve sie bestimmt schon unzählige
Male gehört hatte. Und eine Geschichte war auch ein guter
Zeitvertreib.
Er blähte die Brust, holte die Luft, imitierte die Erzählerpose seines Vaters und begann mit dem Ritual seines
Clans: »Die Alten sagen, von der Spitze des Splittererfelsens könne Das Volk bis zum Rande der Welt sehen. Und
alles, was wir sehen, gehört uns und wird nur mit dem Eisbären geteilt. So war es immer, und so wird es immer sein.
Das sagen die Alten.«
»Also, dann los, Haudo!« quietschte Terve. »Klettern wir
auf die Spitze!«
Haudo sah sie wütend an. »Es gehört sich nicht, zu unterbrechen, wenn eine Geschichte vom Ursprung erzählt
wird«, erinnerte er sie hochmütig. Terve wurde still. »Außerdem«, fügte er schlechtgelaunt hinzu, »ist noch nie jemand auf der Spitze des Splittererfelses gewesen. Er ist zu
rutschig.«
Terve wollte etwas sagen, machte aber nach einem bösen
Blick von ihrem Bruder den Mund wieder zu. Scheinbar
gleichmütig holte sie ein Stück frischen, rohen Fisch aus
einem Päckchen und aß es. Haudo nahm den Faden wieder
auf.
»Vor vielen, vielen Wintern hat der große Eisbär, der das
Land Des Volks geschaffen hat, hier, an dieser Stelle ein
heiliges Geschenk hingesetzt, einen fruchtbaren Ort.« Diese
letzten Worte wiederholte Haudo. Sie klangen so erwachsen. »Ein heiliges Geschenk, einen fruchtbaren Ort. Einen
Ort, der das Geschenk des Eisbären, das Splitterereis, enthalten würde, das feste Eis, aus dem Die Menschen unter
vielen Gebeten und Gesang den Frostsplitterer herstellen
würden. Der Frostsplitterer, der von den Feinden Des
Volks gefürchtet wird, ist das Geschenk des Eisbären.«
»Das sagst du, Haudo.« Terve runzelte die fettbeschmierte Stirn.
Haudo schloß die Augen und holte langsam Luft. Als er
wieder ausgeatmet hatte, war er äußerlich gelassen.
»Jahrhundertelang ist Das Volk zu geheimen Orten am
Gletscher von Eismauer gezogen, um dort das Eis zu holen,
um ihren Stämmen das Material zu bringen, aus dem nur
die Verehrten Kleriker der Stämme Frostsplitterer machen
konnten. Das ist so schwierig, daß die Herstellung einer
einzigen solchen Waffe einen ganzen Monat beansprucht.«
»Das weiß ich, Bruder«, murmelte Terve.
»Der Frostsplitterer ist das Geschenk des Eisbären«, wiederholte er noch einmal, nur um sie zu ärgern. »Der
Frostsplitterer ist die einzige Waffe, die die Stiermenschen
und die Thanoi, die Feinde Der Menschen, vertreibt.«
Terve sah sich um und erschauerte. Die Erwähnung der
Walroßmenschen und der Minotauren, die gelegentlich in
das Eisreich einfielen, um Sklaven und Robbenfelle zu erbeuten, ließ sie etwas näher an ihren großen Bruder heranrücken. Haudo tat so, als ob er es nicht bemerkte. Er erzählte weiter vom Eisbären, den Splitterern und der Schuld des
Eisvolks gegenüber dem Eisbären. Niemand aus dem Eisvolk würde einen Eisbären töten; wer das tat – selbst wenn
es ohne Absicht geschah –, schuldete dem Geist des Bären
sieben Tage des Fastens und des Gebets und viele Geschenke.
»Haudo.« Diesmal meldete Terve sich leise. »Terve«,
klagte er, »ich versuche – «
»Haudo, Das Volk braucht doch kein großes Feuer, um
Seile zu machen, oder?«
»Was?« Ohne sich zu bewegen, registrierte Haudo die
wachsende Furcht in den Augen seiner Schwester. Dann
wandte er sein Gesicht in den Wind. Dort hinten im Süden
waren noch vor kurzem nur dünne Rauchsäulen von den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher