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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Autoren: Michael Götschenberg
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Krise im Großen und Ganzen überstanden. Nach acht Wochen medialem Dauerfeuer glaubt
man im Bellevue, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Just in diesem
Moment gibt ein neuer Vorwurf der Krise fünf Tage vor der Italienreise neuen Schub: Die Bild-Zeitung berichtet, dass der Filmunternehmer David Groenewold den Wulffs 2008 einen Hotelaufenthalt auf
Sylt spendiert haben soll. Der Vorwurf ist brisanter als bisherige Geschichten über kostenlose Urlaube des Ministerpräsidenten Wulff bei
befreundeten Unternehmern: Groenewold hat sich um Fördergelder
des Landes Niedersachsen bemüht. Außerdem will die Bild-Zeitung
erfahren haben, dass Groenewold im Hotel auf Sylt angerufen habe,
um die Spuren des Aufenthalts zu verwischen. Das Bellevue dementiert hektisch, etwas davon gewusst zu haben, doch Christian Wulff
ist bewusst, dass diese neueste Wendung ein Schlag ins Kontor ist.
Zwei Tage, nachdem die Geschichte über Groenewold und den SyltAufenthalt in der Bild-Zeitung erscheint, fliegt der Bundespräsident
zu einer Konferenz mit mehreren europäischen Staatsoberhäuptern
nach Helsinki. Er bleibt dort für eine Nacht, Journalisten aus Berlin
sind bei dieser Präsidentenreise nicht dabei.
    Dort oben, weit weg von Berlin, macht Wulff einen langen Spaziergang mit seiner Sprecherin Petra Diroll durch das verschneite Helsinki und ist kurz davor, aufzugeben. Die Groenewold-Geschichte hat die
Hoffnung zunichtegemacht, dass die Krise bald überstanden sein
könnte. Wulff fragt sich, ob er noch die Kraft hat, weiter durchzuhalten. Vor allem fragt er sich, wie lange er das seiner Familie noch zumuten kann. Vor allem seine Frau leidet sehr unter der Situation. Bis
zum Ausbruch der Krise kennen nur einige Insider in Journalisten- und
Politikerkreisen die Gerüchte, die hinter vorgehaltener Hand und mit
vielsagenden Blicken über das angebliche Vorleben der Präsidentengattin weitergetratscht werden. Doch die Krise sorgt dafür, dass auch die breite Öffentlichkeit erstmals von den schmutzigen Andeutungen
erfährt. Dabei ist die First Lady in all diesen Wochen noch immer eine
Sympathieträgerin für die Boulevardmedien, die sie als tapfere Frau an
der Seite des wankenden Präsidenten inszenieren, die den öffentlichen
Druck einfach „wegzulächeln" scheint. Zur bitteren Ironie dieser Wochen gehört, dass die Bild-Zeitung zwar eine Kampagne gegen Christian Wulff fährt, im gleichen Atemzug aber Bettina Wulff dafür feiert,
wie aufrecht sie Haltung bewahre. Über die Italienreise des Präsidentenpaares heißt es bei Bild: „Bella Bettina begeistert Italia".

    Nach der Landung in Rom fährt der Bundespräsident zunächst in
den prachtvollen Quirinalspalast, dem Sitz von Staatspräsident Giorgio Napolitano, der den Gast aus Deutschland mit militärischen Ehren
im Hof des Palastes empfängt. Die berittene Präsidentengarde mit
ihren Säbeln, den silbernen Brustpanzern und Epauletten und den
goldenen Helmen mit schwarzem Schweif, inmitten der historischen
Kulisse der ehemaligen Papstresidenz - in Rom erlebt Christian Wulff
noch einmal die ganze protokollarische Pracht eines Staatsempfangs.
Für die Beobachter aus Deutschland hat es eher etwas von einer operettenhaften Inszenierung, die so gar nicht zu der politischen Tragödie
passen will, derer Hauptdarsteller Christian Wulff in Deutschland ist.
Die Limousine mit dem Bundespräsidenten fährt vor, die Militärkapelle spielt, Christian Wulff schreitet die Ehrenformation ab und entschwindet in den Palast, wo Napolitano und sein Gast aus Deutschland sich zu politischen Gesprächen zurückziehen. Die Probleme zu
Hause dürften in diesem Moment vergessen sein. Anschließend findet
in einem der prachtvollen Säle des Palastes eine Pressekonferenz statt.
    Zwei Fragen für jede Seite heißt es im Vorfeld, zwei für die italienische und zwei für die deutsche Presse. Die Journalisten einigen sich,
wer fragen soll, und kommen überein, dass es der Respekt vor dem Staatsbesuch gebührt, zunächst eine Frage zur Eurokrise zu stellen und die
zweite dann zu Wulffs persönlicher Situation. Letztere stellt derselbe Reporter, der Wulff im Flugzeug forsch attackiert hatte. Bei der Pressekonferenz aber beschränkt er sich auf eine Prise Ironie: Er fragt beide
Präsidenten, ob sie die Anstrengungen im Kampf gegen Korruption in
ihren Ländern für ausreichend hielten. Wulff weicht mit einer staatsmännisch klingenden Antwort aus. Bereits zu Anfang der Reise wird
deutlich,
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