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Der blutrote Kolibri

Der blutrote Kolibri

Titel: Der blutrote Kolibri
Autoren: Thilo P. Lassak
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zwei der Wachen ein.
    Animaya riss Pillpa hinter sich her, wies sie auf jede Stufe, jede Unebenheit im Boden mit knappen Kommandos hin. Im Laufen stieß sie einem Priester so heftig in die Seite, dass er in die Knie ging. Beim Fallen warf er eine riesige Schale mit Früchten um.
    Weiter, weiter!, spornte Animaya sich selbst an.
    Erleichtert stellte sie fest, dass auf dem Altar kein neues Fohlen lag. Makuku konnte also noch nicht geworfen haben.
    Dann spürte Animaya Kapnu Singas Präsenz. Hektisch drehte sie sich nach ihm um. Der höchste der Magier trat aus der Tür. Seine schwarzen Augen bündelten das schwache Tempellicht und reflektierten es als messerscharfen Strahl.
    Â»Runter!«, schrie sie.
    Zischend traf der Strahl den Altar, genau über Pillpas Kopf. Steine bröckelten heraus.
    Animaya benötigte nur einen Sekundenbruchteil, um sich wieder aufzurappeln.
    Weiter, weiter!
    Aber Pillpa hielt sich den Knöchel und wimmerte schwach: »Mein Fuß ist verstaucht, lass mich zurück. Mit mir bist du verloren.«
    Â»Niemals!«, schwor Animaya. Ächzend hob sie sich ihre verletzte Freundin auf die Schulter. Taumelnd stolperte sie vorwärts, den Feind dicht auf den Fersen.
    Jeder Schritt von Kapnu Singa dröhnte wie ein Donnergrollen durch die Halle. Zwei, drei Tempeldienerinnen, die nicht schnell genug zu Seite sprangen, schleuderte er mit einer einzigen Bewegung seiner Hand durch die Luft.
    Hilfe suchend hielt Animaya nach Natan Ausschau, doch er war nirgendwo zu sehen. Hatte er sich schon alleine zur Kanalisation durchgeschlagen? Animaya konnte es nur hoffen – dann war wenigstens er in Sicherheit.
    Aus den Augenwinkeln heraus glaubte Animaya zu erkennen, dass sich die Tempeldienerinnen absichtlich verwirrter anstellten, als nötig war. Immer standen sie im Weg, immer fielen sie den Generälen in die Arme, wenn diese ihre Speere werfen wollten.
    Doch gegen Kapnu Singa hatte niemand eine Chance. Nur noch wenige Sekunden, dann würde er Animaya eingeholt haben. Sie blickte zurück. Ohne Rücksicht auf die Heiligkeit des Ortes sprang er auf die Opferstätte. Er war das Gesetz, er war die Macht in diesem Reich, das zeigte er mit dieser ungeheuerlichen Tat klar und deutlich.
    Mit selbstgerechtem Lächeln lud Kapnu Singa seine Steinschleuder und ließ sie durch die Luft sirren. Dabei fixierte er Animaya siegesgewiss. Schneller und schneller wurden die Kreise neben seinem Kopf. Die Generäle harrten aus. Kapnu Singa traf nie daneben.
    Kurz bevor er den tödlichen Stein abschießen konnte, tauchte Natan unter dem Tuch auf, das den Altar zur Hälfte bedeckt hatte. Blitzschnell sauste die Lumenpeitsche durch die Luft und wickelte sich flammend wie die Sonne selbst um Kapnu Singas Arm. Seine Rüstung begann zu kokeln. Das Band der Schleuder wurde schlaff, der Stein plumpste wirkungslos herab.
    Während Kapnu Singa noch mit seiner Überraschung kämpfte, war Natan schon bei Animaya und nahm ihr Pillpa von der Schulter.
    Gemeinsam erreichten sie den Nebenraum, in dem die stei nernen Generäle aufgestellt waren.
    Â»Du zuerst, Natan!«, befahl Animaya in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Nach dir kommt Pillpa und hält sich an deinem Fuß fest!«
    Sogleich verschwand der Krokodilreiter kopfüber im Abfluss des Beckens.
    Animaya küsste Pillpa aufs Haar. »Das Rohr ist eng, stickig und voller Wasser. Aber hab keine Angst, du kannst Natan vertrauen!«
    Animaya war bereit, ihr Leben für die beiden zu opfern. Sie mussten durchkommen! Natan wusste, welcher Feind im Wald lauerte. Als Sohn des Häuptlings würde man ihm zuhören, wenn er den Krokodilreitern von Goliath erzählte. Der Stamm konnte weiterziehen und sich eine neue Heimat suchen. Weit weg vom flüsternden Volk und seinem schrecklichen Schicksal. Wenigstens Pillpa war dann gerettet, als letzte lebende Erinnerung an ein großes Unrecht.
    Pillpa nickte unsicher. »Du bist es, der ich vertraue, Ani!« Animaya half ihr in den Abfluss.
    Keine Sekunde zu früh, denn schon knurrte Kapnu Singa hinter ihr: »So seid ihr also hier hereingekommen!«
    Animaya atmete einmal tief durch, bevor sie sich zu ihm umdrehte.
    Mit Entsetzen stellte sie fest, dass Kapnu Singa magisch gewachsen war. Seine Erscheinung füllte den halben Raum aus. Die vier Generäle neben ihm wirkten dagegen wie zahme Äffchen. Als Kapnu Singa ihr in die Augen sah,
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