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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter
Autoren: Hans G. Stelling
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Herren machtlos war, die sich zusammengetan hatten, um ihm alles zu nehmen, was er aufgebaut hatte, empfand er den Hof nach wie vor als sein Anwesen.
    Sie hatten ihn belogen und betrogen, wollten ihn davonjagen wie einen räudigen Hund. Doch ganz sollte ihr heimtückischer Plan nicht aufgehen. Völlig mittellos würde er sein Land nicht verlassen.
    |18| Das Land, das er von seinem Vater geerbt hatte, zog sich von den Ufern der Stör über die ebenen Wiesen hinweg bis hoch zum Geestrücken. Dort befand sich sein Anwesen, aber auch die Katen der Bauern, denen er Land verpachtet hatte. Bis dort oben konnte das Wasser nicht steigen. Das war der große Vorteil. Allerdings hatte er nun den weiten Weg über die Dämme und durch das Wasser zu gehen, um sein Ziel zu erreichen. Vereinzelt standen Kühe auf den Dämmen, suchten hinter einer verkrüppelten Weide oder einem Heuschuppen Schutz vor dem eisigen Wind.
    Hinrik spürte den Wind nicht. Unverdrossen kämpfte er sich voran, Schritt um Schritt. Erst als er die Bäume erreicht hatte, die am Fuße des Geestrückens wuchsen, gönnte er sich eine Pause. Er lehnte sich gegen den Stamm einer Eiche, widerstand aber der Versuchung, sich auf den Boden sinken zu lassen, weil er fürchtete, dann nicht mehr aufstehen zu können. Er war zutiefst verbittert. Ohne jeden Zweifel hatte man ihn betrogen. Die Unterschrift auf dem Schriftstück war gefälscht worden. Der Graf hatte als Vorlage sicherlich jene Unterschrift verwendet, die Hinrik vor Jahren unter einen Vertrag gesetzt hatte, den er mit dem Grafen geschlossen hatte.
    Doch nicht in dem Grafen sah er seinen größten Feind, wenngleich Gerhard Pflupfennig ihn schon vor mehr als einem Jahr davor gewarnt hatte, allzu nachsichtig den Bauern gegenüber zu sein. Er könne es nicht hinnehmen, hatte er gesagt, dass die Bauern zu wenig Pacht bezahlten. Wer den Bauern zu viel Spielraum lasse, störe das System und bringe die anderen gegen ihre Pachtherren auf, die mehr verlangten. Hinrik hatte die Warnung nicht ernst genommen. Auch als einige Bauern sich als recht widerborstig gegen den Grafen und andere Pachtherren erwiesen, war er nicht aufmerksam geworden. Nun hatte der Graf ihm mit aller Härte gezeigt, was er davon hielt, wenn |19| Hinrik befolgte, wozu er als Ritter verpflichtet war. Zu seinen Tugenden gehörte, für die Armen und Schwachen zu sorgen, nicht aber ihre Leiden durch Ausbeutung unerträglich zu machen. Das war das Wort. Eigentlich sollte es auch für den Grafen und die Kirche gelten. Die Taten sahen anders aus und hatten mit dem Wort oft genug nichts mehr gemein.
    Gefährlicher noch als der Graf war Wilham von Cronen. Ein undurchsichtiger, unberechenbarer Mann, der als Ratsherr der Stadt Hamburg zu Ruhm, Reichtum und Ansehen gelangt war. Ihm glaubte Hinrik ohne weiteres, dass der Hof mit Wachen abgesichert war, und er zweifelte nicht daran, dass von Cronen den Männern den Befehl erteilt hatte, ihn zu töten, falls er sich dort blicken ließ. Er musste vorsichtig sein. Einen Fehler konnte er sich nicht leisten.
    Von der Anhöhe aus konnte er in der Störschleife Itzehoe sehen. Im Jahre 1238 war der Stadt von Graf Adolf IV. von Schauenburg das Stadtrecht verliehen worden. Vereinzelt brannten Feuer und spendeten ein wenig Licht zwischen den tief geduckten Häusern und an den Ufern des Flusses, der mit seiner Schleife einen natürlichen Hafen bildete. Eine Kogge lag vor einem Lagerhaus vor Anker. Möglicherweise war Wilham von Cronen mit diesem Schiff aus Hamburg angereist. Für einen Mann wie ihn war die Reise von der Alster die Elbe hinunter und dann die Stör hinauf allemal bequemer als die Fahrt über Land, die recht beschwerlich und zudem nicht gerade sicher war.
     
    Greetje Barg, die Tochter des Arztes Hans Barg, stand staunend an der Reling der Kogge, als diese durch die Fleete in den Hamburger Hafen einlief. Noch nie zuvor hatte sie eine so große Stadt gesehen. Es war schier unmöglich für |20| sie, zu beurteilen, wie viele Menschen in den dicht gedrängt stehenden Häusern wohnten, von denen einige höher und mächtiger waren als jedes andere Gebäude aus ihrer Heimatstadt Itzehoe, in der es keine Häuser mit mehr als zwei Stockwerken gab. So hoch waren dort noch nicht einmal die Lagerhäuser an der Flussschleife der Stör.
    Für das geschäftige Treiben im Hafen interessierte sie sich kaum. Ihre Gedanken richteten sich auf Christoph von Cronen, den Sohn des Ratsherrn und Fernhandelskaufmanns, der sie vom Schiff
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