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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter
Autoren: Hans G. Stelling
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Hälfte für uns.«
    »Ihr seid zwei. Ich bin nur einer.«
    »Es bleibt dabei. Die Hälfte für Euch. Eigentlich müsstet Ihr noch mehr haben.«
    Heiner Wolfen schloss die Augen und seufzte leise.
    Hinrik trug den Verletzten in eine Kammer, um ihn in ein Bett zu legen. Dann holte er Werkzeug und machte sich daran, den Fußboden der Küche aufzubrechen. Es dauerte nicht lange, bis er die Kiste mit dem Gold, dem Silber und zahllosen wertvollen Münzen gefunden hatte. Er hob sie aus der Grube unter dem Fußboden heraus und |554| stellte sie zur Seite, wo sie beinahe zehn Tage lang unbeachtet blieb, bis Heiner Wolfen so weit wiederhergestellt war, dass er das Bett verlassen und den Fund mit ihnen teilen konnte.
    Die eiserne Reserve der Likedeeler war beträchtlich. Für Heiner Wolfen auf der einen und Hinrik und Greetje auf der anderen Seite gab es eine erkleckliche Summe, groß genug, um damit ein neues Leben beginnen zu können.
    In diesen zehn Tagen waren Hinrik und seine geliebte Greetje allein für sich. Sie kosteten sie bis zur Neige aus, um sich zu lieben und sich so nah zu sein wie nur eben möglich. Niemand störte sie, wenn sie am Strand in der Sonne lagen, in der Nordsee badeten oder die Suche nach Pilzen im Wald unterbrachen, um einander zu umarmen, wenn sie die süße Frucht der Liebe kosteten oder sich mit zärtlichen Worten liebkosten.
    Hin und wieder beobachteten sie eine Flotte von Handelsschiffen, die weit draußen auf See vorbeizog, unbehelligt von Freibeutern, allein im Kampf mit den Kräften der Natur.
    Fast bedauerten sie, dass sich Heiner Wolfen so schnell erholte.
    Neunzehn Tage nach dem Kampf gegen Wilham von Cronen und den bronzenen Ritter beluden sie die beiden Pferde und verließen die Festung, um nach Verden zu ziehen. Hier trennten sich ihre Wege. Während Heiner Wolfen nach Süddeutschland reiten und dabei dem Handelsweg folgen wollte, setzten Hinrik und Greetje ihren Weg fort bis Bremen, wo sie an Bord eines Schiffes gingen, das nach Spanien fuhr. In diesem fernen Land wollten sie sich ihren Traum von der Pferdezucht erfüllen – mit leichten, eleganten Pferden, wie sie zu der neuen Zeit passten.

|555| Nachwort
    Vor sechshundert Jahren sahen Hamburg und seine Umgebung ganz anders aus als heute. So lag die Stadt nicht an der Elbe, sondern ausschließlich an der Alster. Der große Strom war Meilen von ihr entfernt, und man kam auf ganz anderen Wasserwegen zum Hafen. Sie führten vor allem vorbei an der kleinen Insel Grasbrook, auf der die Stadtväter ihre Zeichen zu setzen wussten – die auf Pfähle genagelten Köpfe der Hingerichteten, als Mahnung gegen jeden, der Böses im Schilde führte. Immer wieder finden Archäologen der Stadt grausige Relikte einer längst vergangenen Zeit.
    Anders als heute reichten vor allem die Ufer der Elbe und ihrer Nebenflüsse bis weit hinein ins Hinterland, denn Deiche gab es um das Jahr 1500 n. Chr. noch nicht. Daher stand das flache Marschland nördlich und südlich der unteren Elbe mehrmals jährlich unter Wasser. Da ein Teil des Wassers nicht abfließen konnte, bildeten sich weite Sumpfgebiete, die größtenteils unzugänglich waren. Bis ins letzte Jahrhundert hinein wurden die so genannten »Störwiesen« bei Itzehoe Jahr für Jahr bei den großen Fluten überschwemmt. Erst nach 1947 wurden die Deiche so weit erhöht, dass sie der Flut standhielten und die Gebiete entwässert werden konnten.
    Wer Claas Störtebeker wirklich war, ist bis heute ungeklärt. Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen aus seiner Zeit. Was damals niedergeschrieben wurde, fiel dem Feuer zum Opfer, als die Archive der Hansestadt |556| vernichtet wurden. Einige Quellen siedeln den Anführer der Likedeeler in Mecklenburg in der Gegend von Wismar an, andere in Friesland. Hier wie dort ist das Interesse an Störtebeker nach wie vor groß. Auf der Insel Rügen gibt es die Störtebeker-Festspiele, in Verden alljährlich das Heringsessen zu seinem Angedenken, da er die Bevölkerung der Stadt vor dem Hungertod bewahrt haben soll. Wer durch Ostfriesland fährt, wird auf die Störtebeker Straße stoßen, die von Norddeich über Upgant-Schott, Aurich, Esens bis nach Bensersiel führt.
    Skepsis ist gegenüber allen Berichten über die Seeschlachten angebracht, in denen die Hanse die Freibeuter besiegt hat. Darüber gibt es lediglich mündliche Überlieferungen. Und sicherlich haben sich Berichterstatter gefunden, die ihre Erzählungen ein wenig ausschmückten, um sie dramatischer und
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